Masstige: Designermode für Jedermann via Internet

Am Dienstag dieser Woche feierte die Modebranche die neue Chanel-Kollektion von Karl Lagerfeld. Doch der Modezar ist längst auf dem Weg zu neuen Ufern: Karl Lagerfeld will der erste Web-Vertikalist werden. Vertikalisten integrieren die gesamte Modewertschöpfungskette vom Design über die Produktion bis zum Vertrieb.
Spieler wie H&M, Zara und Mango haben mit diesem Ansatz das Tempo der Branche deutlich erhöht. Wo früher alle halbe Jahre eine neue Kollektion auf den Markt kam und von den Messeterminen bis zum Verkaufsstart mindestens neun Monate vergingen, kommt nun im Extremfall jede Woche eine neue Modewelt in die Läden. Tchibo lässt grüßen.
Der einzige Pferdefuß für die Vertikalisten ist der enorme Bedarf an Kapital und Zeit, um eine flächendeckende Präsenz in den 1a-Lagen aufzubauen. Es dauert zehn Jahre und kostet sehr viel Geld, die Läden in alle wichtigen Fußgängerzonen und Konsumtempel zu bringen.
An dieser Stelle kommt das Web ins Spiel. Während klassische Modemarken eigene Onlineshops aufbauen und im stationären Handel mit Vertikalisten konkurrieren müssen, vereint das Modell Web-Vertikalist die Vorteile beider Welten – das hohe Tempo eines Vertikalisten mit der Reichweite und Flächendeckung, wie sie nur der etablierte Handel und das Web bieten können.
Karl Lagerfeld verknüpft diesen strategischen Ansatz mit einem weiteren mächtigen Branchentrend namens Masstige. Das Kunstwort aus Masse (Mass) und Prestige steht für Designermode zu vergleichsweise niedrigen Preise für ein breites Publikum. Masstige soll denn auch Karl Lagerfelds neues Label heißen.

Ich denke, dass es fast meine Pflicht ist, dies mit meinem Namen zu machen, das ist der Weg der Modernität. Außerdem ist das Elitärsein der Masse seit langem mein Traum.

Die neue Kollektion soll im Namen des Meisters von Apax Partners betrieben werden. Ihnen gehört bereits das Label Lagerfeld. Apax wiederum würde die Produktion auslagern und den Onlinevertrieb durch ausgewählte Einzelhandelspartner und den Showroom-Verkauf unterstützen. Masstige könnte bereits in der Herbst-Winter-Saison 2011/2012 auf den Markt kommen.

Procter & Gamble will E-Commerce-Umsatz verachtfachen

Die schnelldrehenden Konsumgüter (FMCG) führen bis jetzt meist ein Schattendasein in Sachen E-Commerce. Wer kauft schon Shampoo oder Quark im Internet? Kein Wunder, dass der US-amerikanische Konsumgüterriese Procter & Gamble bis jetzt nicht einmal ein Prozent seines Umsatzes auf diesem Weg macht. Doch der neue CEO Bob McDonald ist nun angetreten, dies zu ändern.
In den kommenden Jahren plant er, den E-Commerce-Umsatz von heute etwa 500 Mio. auf mindestens 4 Mrd. US-Dollar zu steigern – das wäre eine Verachtfachung und ein immerhin sichtbarer Anteil am Konzernumsatz von 79 Mrd. US-Dollar. Dabei geht es nicht nur um Direktvertrieb, sondern auch um den Onlineumsatz über Händler wie WalMart und Amazon. Lucas Watson, Global Team Leader Digital Business:

The ability whenever the consumer raises her hand and says, „I’m ready to buy,“ to connect her directly to a purchase rather than have her wait and go to a store, we think of it as providing better service.

Dieses Ziel harmoniert hervorragend mit steigenden Investitionen in Digital Media: Im ersten Quartal 2009 hat Procter & Gamble seine Bruttowerbeaufwendungen über alle Medien um 18 Prozent gekürzt und gleichzeitig die Investitionen in Onlinedisplaywerbung mehr als verdoppelt. Marc Pritchard, Global Marketing Officer von P&G:

Our media strategy is pretty simple: Follow the consumer. And the consumer is becoming more and more engaged in the digital world.

adidas plant Onlineshop

Die Sportmarke adidas wird vom kommenden Jahr an ihre Produkte auch in Europa selbst im Web verkaufen, meldet die Internet World. In den USA ist der hauseigene Onlineshop schon seit 1999 am Start, nun soll mit Holland als erstem Land endlich auch Europa folgen.
Die meisten Markenhersteller sind in Sachen Direktvertrieb im Web nur sehr vorsichtig unterwegs. Der Hauptgrund dafür ist der vor allem in Deutschland übermächtige Handel, der solchen Aktivitäten skeptisch bis ablehnend gegenübersteht. Die Händler fürchten den Verlust von Marktanteilen durch die Konkurrenz seitens der Hersteller.
Zum Großteil sind diese Bedenken jedoch unbegründet und die schwache Position der Marken im Web letztlich auch eher schädlich für den Handel. So stehen im Web häufig das Thema Preis und die Schnäppchensuche im Vordergrund, Produkt, Marke und Hersteller treten dahinter zurück.
Eine starke Webpräsenz mit Direktverkauf hat demgegenüber fast nur Vorteile. Sie stärkt das Markenbild und prägt das Preisbild auf dem Markt. Die Konsumenten erwarten die direkte Bestellmöglichkeit beim Hersteller als Dienstleistung. Und auch nach dem Kauf gehen sie ins Web, wenn sie den Kundendienst brauchen – oder weitere Produkte kaufen wollen.
Es geht also gar nicht zuerst um Marktanteile und Wettbewerb zwischen Hersteller und Handel, sondern um Marke, Preisbild und Kundendienst. Wer im Web glänzt, macht auch dem Handel das Leben leichter, weil er seine Produkte mit besseren Argumenten als dem günstigsten Preis verkaufen kann. Vorbildlich führt diese Strategie seit Jahren Apple vor.
Am Rande bemerkt sei der Weg, den diese Nachricht im Web genommen hat. Die TextilWirtschaft berichtete bereits am 7. Dezember darüber, die Lebensmittel Zeitung zog jetzt nach. Beide Blätter erscheinen im Deutschen Fachverlag und verstecken ihre Nachrichten im Web hinter ihren Gartenmauern. Heute griff nun die Internet World das Thema auf, allerdings ohne Quellenangabe.
So können Fachblätter mit ihren exklusiven Nachrichten natürlich auch umgehen. Allerdings sollten sie sich dann nicht wundern, dass ihre Relevanz im Web gegen Null geht und sich niemand kaum jemand für ihre Nachrichten interessiert.

Partnerschaftsprobleme

Die Low-Cost-Carrier haben ein Problem mit ihren Affiliate-Programmen. Das Problem ist eine Folge des Erfolgs. Denn über Affiliates wird bei einigen Billigfliegern ein signifikanter Anteil aller Billigflüge gebucht, was Überweisungen in entsprechender Höhe nach sich zieht und die Marketingbudgets belastet.

Hinzu kommt ein Kannibalisierungseffekt: Denn große Affiliates wie billigflieger.de buchen Google-Anzeigen und treiben damit die Preise für die relevanten Suchbegriffe nach oben – mit dem Geld der Billigflieger.

Nun sind ja die Billigflieger Vorreiter einer Entwicklung in der Touristikbranche, die in Richtung eines verstärkten Direktvertriebs weist. Sie geben die Kostenvorteile der Internet-Buchung als Preisvorteile an ihre Kunden weiter.

Es gibt Carrier, die dieses Prinzip transparent machen und bei allen Buchungen über Reisebüros eine Provision offen ausweisen. Der Kunde zahlt den Aufschlag, das Reisebüro erhält die Provision.

Was unterscheidet nun ein Affiliate von einem Reisebüro? Im Grunde nichts. Jedenfalls aus Sicht des Billigflieger-Marketings. Theoretisch wären Reisebüros gut beraten, eigene Websites zu bauen, sich als Affiliate-Partner anzumelden und die Flüge ihrer Kunden über diese eigenen Websites einzubuchen.

Resultat: Die Kunden sparen den Provisionsaufschlag, für das Reisebüro ändert sich wenig. Bei Zanox zum Beispiel erhalten Affiliates von Air Berlin bis zu 6,00 Euro pro Buchung.

Das Affiliate-Marketing wird zum Problem, wo es eigentlich Vertrieb ist und kein Marketing. Denn als Vertriebskanal muss es sich, so die Direktvertriebs-Philosophie, selbst tragen, also seine Kosten direkt an die Kunden weiterreichen, die diesen Kanal nutzen.

Germanwings ist deshalb im März vorgeprescht und belastet die Buchungen über Affiliates mit einem Aufschlag. BloggingTom und Robert Basic berichteten, Germanwings erklärte daraufhin sein Geschäftsmodell:

Germanwings hat sich zur Umstellung des Affiliate-Programmes entschlossen, um alle Vertriebskanäle für den Verkauf von Flugtickets gleich zu behandeln.

Es ist nicht im Geschäftsmodell von Germanwings als Low Cost Airline vorgesehen, Provisionen für den Verkauf der Flugtickets zu zahlen.

Inzwischen denken andere Billigflieger darüber nach, dem Vorbild von Germanwings zu folgen. Kein Wunder: Die Marktmechanik zwingt sie dazu. Wenn sie nicht handeln, unterminiert das Affiliate-Marketing ihr Geschäftsmodell – mit ihrem eigenen Geld.

Billigflüge sind auch deshalb billig, weil die Vertriebskosten minimiert werden, indem die Kunden der einzelnen Vertriebskanäle die Kosten direkt tragen. Warum sollten die Kunden, die direkt auf den Websites der Billigflieger buchen, anteilig die Provisionen für indirekte Buchungen über Affiliates zahlen?

Nachtrag: Germanwings hat sein Affiliate-Programm bereits im Mai eingestellt.

Trendkost

Max Zorno stellt fünf Trends im Fach-Einzelhandel zur Debatte:

  • Trend 1: Viele traditionelle Fachhandelsgeschäfte werden sterben
  • Trend 2: Der stationäre Verkauf lebt weiter – aber in zwei gänzlich anderen Ausprägungen als heute
  • Trend 3: Beratung wird kostenpflichtig
  • Trend 4: Die Handelskette wird kürzer: Händler werden zu Herstellern
  • Trend 5: Das Internet wird zum Spezialitätenladen