Oettinger. Oder: Warum die wohlfeile Kritik in die Irre geht

Am kommenden Wochenende tritt die neue EU-Kommission ihr Amt an. Und damit Günther Oettinger die Nachfolge von Neelie Kroes als Kommissar für die Digitalwirtschaft. Diese Personalie hat insbesondere in der Szene viel Spott und heftige Kritik geerntet.
Meistens geht es dabei um die vorgeblich mangelnde oder angeblich notwendige Fachkompetenz des künftigen Digitalkommissars. Dass Günther Oettinger nach eigenem Bekunden „täglich online“ ist und sich via iPhone selbst Termine in den Kalender schreibt, solche Petitessen dienen dann als Nachweis fehlender Kompetenz.


Doch halt – welche Kompetenzen braucht ein Spitzenpolitiker tatsächlich? Muss ein Verteidigungsminister selbst in der Bundeswehr gedient haben? Muss ein Wirtschaftsminister selbst ein Unternehmen geführt haben? Offensichtlich nicht.
Für das Fachliche halten Ministerien und EU-Behörden ganze Stäbe von Mitarbeitern vor. Minister und Kommissare sind hingegen Experten der Macht. Ihre Aufgabe ist es, dort zu entscheiden, wo die Grenzen der Fachkenntnis erreicht sind, wo Fragen der politischen Macht und der gesellschaftlichen Werte beginnen.
Jeder Spitzenpolitiker wird schon aus Gründen der Machterhaltung auf die Fachkenntnis seines Stabes vertrauen. Sein Job ist nicht, es besser zu wissen als die Experten in seinem Hause. Er muss dort entscheiden, wo die Experten mit ihrem Latein am Ende sind, wo es mehrere fachlich gut begründete Meinungen gibt, wo es auch unter Fachleuten schließlich heißt: Das muss politisch entschieden werden.
Das ist das Geschäft der Politik, dafür brauchen wir Politiker. Ob sie nun einen guten Ruf haben oder nicht, einer muss den Job halt machen. Und manchmal ist es dafür sogar vorteilhaft, sich nicht allzu tief in den Niederungen des Fachlichen verstrickt zu haben.

Amazon: Services statt Hardware

People don’t want Gadgets anymore. They want services.
Jeff Bezos

Im Anfang war die Hardware, und die Hardware kam von Apple und IBM, und die Hardware war Apple und IBM. Dann kam die Software, und mit der Software kam Microsoft. IBM zog sich zurück und überließ die Hardware Dell und HP. Microsoft dominierte die Software, und Apple geriet an den Rand der Pleite.
Steve Jobs kehrte zurück und führte Apple in wenigen Jahren von dort an die Weltspitze. Er integrierte Hardware und Software zu attraktiven Produkten, indem er Services hinzufügte, um das Konsumentenerlebnis zu perfektionieren. Obwohl dieses Modell extrem erfolgreich ist, hat es bis heute kein Wettbewerber geschafft, etwas auch nur annähernd vergleichbares auf den Markt zu bringen.
Bis jetzt. Doch nun schickt sich Amazon an, dies zu versuchen. Statt auf Hardware wie Dell und HP, Software wie Microsoft oder Produkten aus Hardware und Software plus Services wie Apple liegt der Fokus von Amazon klar bei den Services. Und damit zeichnet sich eine Schlacht ab, die spannend zu beobachten sein wird.
Es ist die alte Dichotomie von Produkten und Dienstleistungen im neuen Gewand. Wir reden schon seit den 70er Jahren über die Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft, über die Verwandlung von Produkten in Dienstleistungen. Die digitale Revolution hat dieser Entwicklung einen gewaltigen Schub verpasst.
Apples Exzellenz fußt ganz klar auf dem Design seiner Produkte. Im Vergleich dazu leistet sich Apple beim Design seiner Services schon einige Schwächen. MobileMe war ein Desaster, auch iCloud läuft noch nicht wirklich rund. Und das Universum aus iTunes und den App Stores hat ebenfalls reichlich Luft nach oben.
Für Amazon als Händler liegt das Thema Services näher als für Apple. Auch als Infrastrukturanbieter bleibt Amazon Web Services auf die Dienstleistungen konzentriert, das Geschäftsmodell heißt „Software as a Service“. Und die Hardware? Amazons Kindle-Geräte dienen dem einfachen Zugriff auf Medien, Inhalte und Produkte. Sie sind erkennbar Mittel zum Zweck, keine Gadgets.
Wenn Apple für seine Produkte steht, dann steht Amazon für seine Services. Ist Jeff Bezos der neue Steve Jobs? Ist er ein Meister des Service Designs, so wie Steve Jobs ein Meister des Produktdesigns war? Und ist Service Design das neue Produktdesign?
Mit dem Thema Service Design befassen wir uns auf der NEXT Service Design am 8. Oktober in Berlin. Tickets gibt es hier, Frühbucher sparen bis kommenden Donnerstag, den 13.09., noch 100 Euro.

Post-Digital ist auch ein Kundenmagazin

Auf meinem Schreibtisch ist heute die druckfrische Ausgabe von postdigital gelandet, dem Kundenmagazin der Berliner Agentur aperto plenum. Das Heft (Chefredaktion: Helge Birkelbach) ist schön gemacht, auch die Web-Ausgabe gefällt.
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Wie üblich für Druckerzeugnisse, die Agenturen in eigener Sache produzieren, stammt ein Großteil der Themen aus dem Kundenkreis des Auftraggebers: Berlin Tempelhof, Bundesfamilienministerium, Bertelsmann Stiftung. Nichts dagegen einzuwenden, so funktioniert Corporate Publishing. Agenturkunden, die es nicht in den redaktionellen Teil geschafft haben, sind in Form von Anzeigen präsent.
Ob das reicht für ein zweites Heft, scheint nicht so klar zu sein. Jedenfalls schreibt Agenturchef und Herausgeber Michael Sodar im Editorial vorsichtig von einer möglichen Fortsetzung dieser Ausgabe. Möglich heißt: keinesfalls sicher. Am Thema Post-Digital dürfte es jedoch nicht scheitern, das bietet Stoff genug.
Digital ist heute Alltag und braucht keine eigenständige Kennzeichnung mehr. Genauso wie selbstverständlich ist, dass unsere Geräte mit Strom betrieben werden – im Gegenteil: die mechanische Uhr, das handkurbelbetriebene Radio sind die Ausnahme. Erst wenn das Digitale allgegenwärtig ist, entstehen die echten Innovationen und verändert sich das Leben der Konsumenten.
Im Mai haben wir dazu eine ganze Konferenz veranstaltet. Vermutlich wäre den Machern von postdigital kein Zacken aus der Krone gebrochen, hätten sie diese Tatsache wenigstens einmal erwähnt.

Post-Digital: Das Ende der digitalen Revolution


Wenn es einen Sprecher auf der NEXT Berlin 2012 gab, der sich über das Motto Post-Digital so richtig gefreut hat, dann war es George Dyson. Er rede seit Jahren davon, was nach der digitalen Revolution komme, meinte er, nun gebe es endlich eine Konferenz dazu. Seine Keynote war eine fulminante Tour d’horizon durch die Geschichte der Digitalisierung und ein Plädoyer für einen Blick über deren Grenzen hinaus.
Während seines Aufenthalts in Berlin hat er auch der Welt am Sonntag ein Interview gegeben und seine Thesen erläutert. Der zentrale Punkt seiner Argumentation:

„Wir gehen zurück zum Analogen, aber keiner will es zugeben“, sagt Dyson. Google, Facebook und Amazon seien Beispiele des Trends zum Analogen. Diese Internetunternehmen würden zwar digitale Komponenten benutzen, aber das Geheimnis ihres Erfolgs liege eben daran, dass sie analoge Netzwerke seien.

„Die Komplexität bei Facebook liegt nicht im Code, sondern in den Verbindungen. Jeder Nutzer hat einen recht einfachen Code, und die Nutzer stellen die Verbindungen selbst her, sodass Facebook zu einem analogen Modell der wechselnden Beziehungen zwischen den Usern wird.“ Bei Google sei es ähnlich.

Die Herstellung einer digitalen und im Netz verfügbaren Fassung aller denkbaren Informationen, von einem alten Telefonbuch bis zu einer Karte der Galaxis, sei relativ einfach, „kompliziert ist hingegen die Bedeutung der Information“.

Die Bedeutung liege in der Verbindung zwischen den Informationen, und die stellen die Nutzer her: „Google verfolgt nur, wie wir Verbindungen herstellen. So entsteht ein analoges Modell, wie die neuronalen Netzwerke im Gehirn, wo es gar keine digitalen Informationen gibt, nur Verbindungen.“

Schön auch, wie Autor Alan Posener es schafft, die NEXT zu charakterisieren, ohne auch nur einmal den Namen zu erwähnen:

George Dyson ist in Berlin, um als Gastredner an einer jener Konferenzen teilzunehmen, die, wie er sagt, „bevölkert werden von Start-up-Unternehmen auf der Suche nach Geld und Leuten mit Geld auf der Suche nach einem Start-up-Unternehmen, das ihnen noch mehr Geld macht“. Der amerikanische Wissenschaftshistoriker, der weder die Schule abgeschlossen noch eine Universität besucht hat, gilt in solchen Kreisen als Visionär.

Danke, Alan! Ohne uns hättest Du George Dyson niemals zum Interview bekommen. Haben wir doch gerne für Dich getan.

car2go startet in Berlin – rechtzeitig zur Berlin Web Week

Hamburg hat sie schon etwas länger, jetzt kommen die weiß-blauen Smarts auch nach Berlin. Ende April bringt car2go die mit 1.000 Autos größte Fahrzeugflotte der Welt in der Hauptstadt an den Start. Wenige Tage vor dem Start der Berlin Web Week am 2. Mai rollt die Daimler-Tochter ihr Spontanmietkonzept am Ort des Geschehens aus.
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Parallel startet car2go einen Pilotversuch, in dem die öffentlichen Verkehrsmittel des VBB mit car2go und weiteren Partnern in einem gemeinsamen Auskunfts- und Bezahlsystem kombiniert werden sollen. Neben Bus, Bahn und Carsharing sollen auch Fahrradverleih, Taxi und Parkautomaten integriert werden. Dabei sein soll auch myTaxi, an dem sich Daimler und die Deutsche Telekom erst vor kurzem beteiligt haben.
Ab 2013 sollen die konventionellen Autos schrittweise durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Im nächsten Jahr sollen 300 der 1.000 Fahrzeuge elektrisch fahren, die ersten Elektroautos sind testweise bereits für 2012 angekündigt. Beim Flottenbetrieb arbeitet car2go mit Europcar zusammen.
Daimler und die Deutsche Telekom sind Sponsoren der NEXT Berlin 2012.