Post-Digital ist auch ein Kundenmagazin

Auf meinem Schreibtisch ist heute die druckfrische Ausgabe von postdigital gelandet, dem Kundenmagazin der Berliner Agentur aperto plenum. Das Heft (Chefredaktion: Helge Birkelbach) ist schön gemacht, auch die Web-Ausgabe gefällt.
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Wie üblich für Druckerzeugnisse, die Agenturen in eigener Sache produzieren, stammt ein Großteil der Themen aus dem Kundenkreis des Auftraggebers: Berlin Tempelhof, Bundesfamilienministerium, Bertelsmann Stiftung. Nichts dagegen einzuwenden, so funktioniert Corporate Publishing. Agenturkunden, die es nicht in den redaktionellen Teil geschafft haben, sind in Form von Anzeigen präsent.
Ob das reicht für ein zweites Heft, scheint nicht so klar zu sein. Jedenfalls schreibt Agenturchef und Herausgeber Michael Sodar im Editorial vorsichtig von einer möglichen Fortsetzung dieser Ausgabe. Möglich heißt: keinesfalls sicher. Am Thema Post-Digital dürfte es jedoch nicht scheitern, das bietet Stoff genug.
Digital ist heute Alltag und braucht keine eigenständige Kennzeichnung mehr. Genauso wie selbstverständlich ist, dass unsere Geräte mit Strom betrieben werden – im Gegenteil: die mechanische Uhr, das handkurbelbetriebene Radio sind die Ausnahme. Erst wenn das Digitale allgegenwärtig ist, entstehen die echten Innovationen und verändert sich das Leben der Konsumenten.
Im Mai haben wir dazu eine ganze Konferenz veranstaltet. Vermutlich wäre den Machern von postdigital kein Zacken aus der Krone gebrochen, hätten sie diese Tatsache wenigstens einmal erwähnt.

René Obermann ist der beste Redner eines DAX-Konzerns

Köln, Lanxess Arena, 24. Mai 2012, Hauptversammlung der Deutschen Telekom. CEO René Obermann tritt ans Rednerpult und spricht zu den Aktionären. Eine jährliche Pflichtübung für jeden DAX-Vorstandschef. Viele schneiden dabei nicht besonders gut ab. Nur 7 von 30 erreichen auf der Verständlichkeitsskala von 0 (so verständlich wie eine Doktorarbeit) bis 10 (so verständlich wie Radionachrichten) einen Wert größer als 5.
René Obermann führt die von der Uni Hohenheim erstellte Rangliste mit einem Wert von 7,2 an. Er liegt damit vor BMW-Chef Norbert Reithofer und Noch-Infineon-Boss Peter Bauer. Dass der Telekom-Chef ein guter Redner ist, war auch schon auf der NEXT Berlin Anfang Mai in Berlin zu erleben. Damals eröffnete er die Konferenz mit einer Keynote.

Schade nur, dass René Obermann offensichtlich von seinem eigenen Stab ein enges Korsett verpasst bekommt: Er bleibt die ganze Zeit am Rednerpult, obwohl er auch frei sprechen kann. Seine Folien sind ebenfalls durchaus verbesserungsfähig. So bleiben zum Teil längere Passagen seiner Rede ganz ohne Folien, und auf einigen Folien steht eher zu viel Text. Dabei ist er durchaus schlagfertig und spontan, wie er an einer Stelle zeigen kann, als er einen Zuruf aus dem Publikum kontert. Und sein Englisch ist für einen Nicht-Muttersprachler (und aus Sicht eines solchen) absolut tadellos.
Verständlichkeit ist also erreicht, jetzt könnten noch Dynamik und rhetorischer Glanz dazukommen. Schließlich wird es Zeit, dass die Chefs der deutschen Unternehmensschwergewichte nicht nur in Gehaltsfragen zur Weltspitze gehören, sondern auch in ihrer Redekunst zu den angelsächsischen Vorbildern aufschließen. René Obermann hat als einer der jüngeren in dieser Riege gute Chancen auf einen Spitzenplatz.

Post-Digital: Das Ende der digitalen Revolution


Wenn es einen Sprecher auf der NEXT Berlin 2012 gab, der sich über das Motto Post-Digital so richtig gefreut hat, dann war es George Dyson. Er rede seit Jahren davon, was nach der digitalen Revolution komme, meinte er, nun gebe es endlich eine Konferenz dazu. Seine Keynote war eine fulminante Tour d’horizon durch die Geschichte der Digitalisierung und ein Plädoyer für einen Blick über deren Grenzen hinaus.
Während seines Aufenthalts in Berlin hat er auch der Welt am Sonntag ein Interview gegeben und seine Thesen erläutert. Der zentrale Punkt seiner Argumentation:

„Wir gehen zurück zum Analogen, aber keiner will es zugeben“, sagt Dyson. Google, Facebook und Amazon seien Beispiele des Trends zum Analogen. Diese Internetunternehmen würden zwar digitale Komponenten benutzen, aber das Geheimnis ihres Erfolgs liege eben daran, dass sie analoge Netzwerke seien.

„Die Komplexität bei Facebook liegt nicht im Code, sondern in den Verbindungen. Jeder Nutzer hat einen recht einfachen Code, und die Nutzer stellen die Verbindungen selbst her, sodass Facebook zu einem analogen Modell der wechselnden Beziehungen zwischen den Usern wird.“ Bei Google sei es ähnlich.

Die Herstellung einer digitalen und im Netz verfügbaren Fassung aller denkbaren Informationen, von einem alten Telefonbuch bis zu einer Karte der Galaxis, sei relativ einfach, „kompliziert ist hingegen die Bedeutung der Information“.

Die Bedeutung liege in der Verbindung zwischen den Informationen, und die stellen die Nutzer her: „Google verfolgt nur, wie wir Verbindungen herstellen. So entsteht ein analoges Modell, wie die neuronalen Netzwerke im Gehirn, wo es gar keine digitalen Informationen gibt, nur Verbindungen.“

Schön auch, wie Autor Alan Posener es schafft, die NEXT zu charakterisieren, ohne auch nur einmal den Namen zu erwähnen:

George Dyson ist in Berlin, um als Gastredner an einer jener Konferenzen teilzunehmen, die, wie er sagt, „bevölkert werden von Start-up-Unternehmen auf der Suche nach Geld und Leuten mit Geld auf der Suche nach einem Start-up-Unternehmen, das ihnen noch mehr Geld macht“. Der amerikanische Wissenschaftshistoriker, der weder die Schule abgeschlossen noch eine Universität besucht hat, gilt in solchen Kreisen als Visionär.

Danke, Alan! Ohne uns hättest Du George Dyson niemals zum Interview bekommen. Haben wir doch gerne für Dich getan.