Sind Amazon, Apple, Facebook und Google die neuen Banken?

Social war gestern. Jetzt geht es um die Identität der Konsumenten, und morgen um ihre Bankkonten. Die vier apokalyptischen Reiter des Internets – Amazon, Apple, Facebook und Google – liefern sich derzeit eine Schlacht um die Nutzerkonten, die bald schon in einen Kampf um die Girokonten münden könnte.
Deshalb sind bei Google+ keine anonymen Nutzerkonten möglich – wie bei Amazon und Apple übrigens, und auch Facebook erlaubt keine Pseudonyme oder anonyme Accounts (obwohl das in der Praxis bis jetzt nicht strikt durchgesetzt wird). Google+ ist mehr als nur ein Social Network oder die Antwort auf Facebook – es ist Googles Identitätsdienst, künftig Personalausweis und Kreditkarte zugleich.
Wie wir künftig im Netz – und nicht nur dort, sondern auch in der physischen Welt – bezahlen, hinter dieser Frage steckt buchstäblich jede Menge Geld. Wenn ich mein Girokonto erst einmal bei Amazon, Apple, Facebook oder Google habe, dann können Bezahlvorgänge im Netz ohne Beteiligung des herkömmlichen Bankensystems stattfinden.
Recht weit vorne in diesem Rennen liegt übrigens Paypal, das in Europa bereits eine Bank ist und über ein Jahrzehnt Erfahrung mit Zahlungsprozessen hat. Interessanterweise gehört Paypal nicht zu einem der Großen Vier, sondern zu Ebay, und ist deshalb etwas aus dem Fokus geraten. Holger Spielberg von Paypal hat auf der NEXT11 einen guten Überblick über diesen spannenden Markt gegeben.
Amazon hat von je her Zahlungsdaten seiner Kunden, bietet schon länger eine eigene Kreditkarte an und führt bereits Guthaben, bis jetzt in Form von Gutscheinen. Jüngstes Beispiel ist das Trade-In-Programm für den Ankauf gebrauchter Ware gegen Amazon-Guthaben.
Apple nimmt sich im Vergleich dazu recht spartanisch aus: Ohne Kredit- oder Guthabenkarte geht nichts. Was umgekehrt aber bedeutet, dass mit jedem Apple-Konto ein Zahlungsweg verbunden ist. Und Facebook hat längst eine eigene Währung, mit der ich früher oder später auch anderswo im Netz (oder gar in der physischen Welt, mit meinem Facebook Phone) werde bezahlen können.
Eins ist klar: Google Wallet ist nur der Anfang. Die vier Musketiere werden sich früher oder später im Wettbewerb mit den etablierten, krisengeschüttelten Banken wiederfinden. Die Finanzbranche ist längst reif für die digitale Revolution. Chris Skinner sieht die Reformation im Bankensektor bereits am Horizont.
Chris Skinner hält nächste Woche die Keynote auf der ersten NEXT Finance in Frankfurt/Main. Sein Thema: Why Banking Will Disappear But Banks Will Not … Well, Not All of Them. Übrigens die Antithese zu einer berühmten Sentenz von Bill Gates: Banking is necessary, banks are not.
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Nachtrag: Thilo Specht schreibt heute praktisch gleichzeitig (und als Antwort auf Wolfgang Lünenbürger-Reidenbachs Todesprognose für Facebook):

Facebook hat nicht nur über 700 Millionen Datensätze, sondern über 700 Millionen Kunden. Man stelle sich vor, das Unternehmen erwirbt eine Banklizenz und bietet seinen Bestandskunden (Online-)Banking- und Investment-Produkte an. Auf der Grundlage von Markt- UND Netzwerkeigenen Daten. Inklusive sicherer Bezahlmöglichkeiten in den großen Shops wie Amazon, eBay und Co. (Tschüss Paypal, ich kann mir Deine Passwörter sowieso nie merken). Direktüberweisungen direkt aus dem Profil heraus, an das Profil eines anderen Mitglieds. Mobile Payment. Hört ihr sie rascheln, die Scheinchen? Die Facebook International Bank kann global agieren, weil sie schon überall vor Ort ist. Weil die Kunden schon alle an Bord sind. Weil die Investmentprojekte schon alle Facebook-Seiten haben. Weil die Infrastruktur schon steht.

Und wir gratulieren trotzdem…

Die Version 6 des Internet Explorers ist wie ein Onkel, den man nicht mag, der aber trotzdem bei jeder Familienfeier auf der Matte steht.
Behäbig ist er und humorlos. Viele Extrawünsche hat er und wirklich cool war er nie. Irgendwie aus der Zeit gefallen – aber omnipräsent und äußerst zäh. Zehn Jahre alt ist der IE6 an diesem Wochenende geworden. 9,7 Prozent aller Nutzer surfen noch immer mit dem umstrittenen Urgestein. Dass es so schnell wie möglich 0% werden, möchte inzwischen selbst Microsoft.
An den SinnerSchrader-Entwicklern soll das nicht scheitern, raubt ihnen die Internet-Altlast doch regelmäßig Zeit und Nerven. Mit dem 10-jährigen Geburtstag des IE6 feiert so auch eine Hassliebe Jubiläum.
Grund genug für eine Torte, gebacken von Entwickler Thomas Jacob.
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Es wird wohl eine Ausnahme bleiben, dass sich gestandene Programmierer vom Internet Explorer 6 eine Scheibe abschneiden.
Herzlichen Glückwunsch!

Was Steve Jobs für SinnerSchrader getan hat

Wie der 11. September 2001 für die Vereinigten Staaten von Amerika oder der 9. November 1989 für die Deutschen ist der 24. August 2011 für die digitale Welt ein Tag, der im Gedächtnis bleiben wird als der Tag, an dem Steve Jobs als CEO von Apple zurücktrat.
Als ich vor bald zehn Jahren meinen Job bei SinnerSchrader antrat, war mein erster Arbeitsplatzrechner ein PC von HP. Ausgerechnet HP, auch zehn Jahre später noch einer der größten PC-Hersteller der Welt. Ausgerechnet jene Firma, die sich von ihrem PC-Geschäft zu trennen beabsichtigt, wie wir seit einigen Tagen wissen.
Die Aktie von Apple schloss am 24. August 2001 an der Nasdaq bei 9,29 Dollar. Gestern waren es 376,18 Dollar, mehr als das Vierzigfache.
Bei SinnerSchrader gab es im Sommer 2001 ungefähr einen einzigen Mac. Der stand in der Grafik, wie die Abteilung Experience Design (heute: Kreation) damals meistens genannt wurde. Er diente vor allem dem Austausch mit Agenturen, in denen eher Macs verbreitet waren als PCs. Die Dateien wurden noch gelegentlich über Leonardo transportiert, dessen Hersteller Hermstedt 2007 Insolvenz anmelden musste.
Vor zehn Jahren gab es noch keinen iPod, der wurde erst im Oktober 2001 vorgestellt. Bald danach tauchten die ersten iPods auch bei SinnerSchrader auf. Ansonsten blieb die Agentur aber eine reine PC-Bude. Der Siegeszug des Mac begann Mitte des vergangenen Jahrzehnts, als der oberste Geek von SinnerSchrader seine Präsentationen statt in Powerpoint in Keynote zu bauen begann.
Damit setzte der berühmte Trickle-downRipple-Effekt ein, der bis heute große Teile der Firma erreicht hat. Beratung und Kreation sind inzwischen komplett in der Hand von Steve Jobs, nur in der Technik und in der Verwaltung halten sich immer noch hartnäckig einige Windows-Bastionen.
Unzählige Macbooks, neuerdings auch gern als Macbook Air, zahlreiche iMacs und sogar einige Mac minis verrichten täglich ihren Dienst am Arbeitsplatz. Das iPhone als Firmentelefon, bei uns erst relativ spät aufgekommen, liefert sich heute harte Schlachten mit diversen Android-Modellen. Die sind auch deshalb beliebt, weil sie gut mit den im vergangenen Jahr eingeführten Google Apps (Mail, Kalender, Docs) zusammenspielen.
Doch Apples Antwort namens iCloud dräut schon am Horizont. Die bis jetzt letzte vom Chef persönlich per Stevenote im vergangenen Juni präsentierte Neuerung könnte mittelfristig auch den Google Apps bei SinnerSchrader gefährlich werden. Steve Jobs wechselt erneut ein Paradigma. Diesmal ist es das Dateisystem alter Schule, mit dem sich der Apple-Nutzer nicht mehr beschäftigen muss als unbedingt nötig.
Wie schon bei iPod, iPhone und iPad. Auch das Tablet gehört heute praktisch zur Grundausstattung, nachdem vor knapp einem Jahr jeder Mitarbeiter ein iPad erhielt. Und in der Cafeteria stand bis vor kurzem ein Verstärker, der von iTunes aus über Airplay mit Musik bespielt werden konnte. (Jetzt ist er in den agentureigenen Bandproberaum im Keller gewandert.)
Die zu Produkten gewordenen Visionen von Steve Jobs prägen heute unseren Agenturalltag, wie ich es mir vor zehn Jahren nicht hätte ausmalen können. Doch mehr noch als Hardware und Software hat das Design und die Philosophie von Apple unsere Arbeit beeinflusst, wahrscheinlich stärker als uns das klar ist.
Der 24. August 2011 ist ein trauriger Tag, weil Steve Jobs mit nur 56 Jahren seiner angegriffenen Gesundheit wegen von seinem Chefposten zurücktreten muss. Zu hoffen bleibt, dass er Apple und uns in seiner neuen Position als Chairman noch lange erhalten bleibt. Wer weiß, vielleicht sehen wir gar noch die eine oder andere Keynote.
Danke, Steve! Please, one more thing.
Foto: Abruzzo24ore, Lizenz

Google, Motorola und der unaufhaltsame Aufstieg der geschlossenen Systeme

Hardware ist plötzlich wieder sexy. Steve Jobs wusste immer, dass erfolgreiche Produkte die Kontrolle über den gesamten Stapel aus Hardware, Software, User Experience, Ökosystem und geistigem Eigentum brauchen. Google hat diese Lektion auf die harte Tour lernen müssen, der Erwerb von Motorola spricht Bände.
Android ist an mehreren Fronten an seine Grenzen gestoßen: Die große Gerätevielfalt, zwar Wachstumstreiber, bringt inkonsistente Nutzererlebnisse und langwierige Aktualisierungszyklen mit sich. Die Offenheit erlaubt den Mobilfunkbetreibern, die Geräte mit eigener Müllsoftware zu verstopfen. Und Patentstreitigkeiten bedrohen das gesamte Projekt.
In dieser Lage ist der Schritt hin zu einem integrierten Modell nach dem großen Vorbild Apple, immerhin an der Börse die teuerste Firma der Welt, ein Befreiungsschlag. Der Kauf von Motorola, gegen den die bisher größten Akquisitionen wie Doubleclick und Youtube eher übersichtlich erscheinen, ist auch eine Wette darauf, dass Google das bessere iPhone bauen kann. In der Hoffnung, dass sie es dann auch in den Markt bekommen.
Damit sind drei der vier apokalyptischen Reiter des Internets jetzt auch im Bereich Hardware engagiert. Google ist der dritte im Bunde, nach Apple und Amazon, das mit dem Kindle bereits ein Hardware-Standbein hat und Spekulationen zufolge mit einem Tablet für unschlagbare 249 Dollar bald ein weiteres haben könnte.
Momentan scheint nur der vierte Reiter Facebook von Hardware noch weit entfernt zu sein. Doch auch das könnte sich schnell ändern, ist doch Facebook mit Microsoft liiert, und Microsoft wiederum gehört nicht nur Skype, sondern womöglich bald auch Nokia. Jedenfalls dann, wenn Steve Ballmer und seine Mannen an das integrierte Modell glauben, das sie mit der Xbox schon einmal realisiert haben.
Das Szenario könnte so aussehen: Microsoft kauft nach Skype auch Nokia und baut aus den drei Komponenten Hardware, Betriebssystem und Skype ein integriertes Windows Phone, möglicherweise unter einer neuen Marke. Hier käme dann Facebook als Messenger und Social Graph ins Spiel. Ein Facebook Phone mit eingebautem Skype auf Hardware von Nokia und Betriebssystem von Microsoft?
Im Smartphonemarkt bleiben noch RIM/Blackberry, HP/webOS und Samsung/Bada übrig – alle drei kontrollieren Hardware wie Software und auch den übrigen Stapel. Kaum zu glauben, aber nach dem Kauf von Motorola ist Microsoft Windows Phone die offenste mobile Plattform – solange Nokia noch nicht eingemeindet ist.
Im säkularen Krieg zwischen offenen und geschlossenen Systemen schwingt das Pendel jedenfalls derzeit stark in Richtung totale Kontrolle. Und der Kampf um die führende mobile Plattform, der bis jetzt zwischen iOS und Android tobte, geht in eine neue Runde.

Chris Skinner hält die Keynote der NEXT Finance

Warum Banking verschwinden wird, Banken jedoch nicht (jedenfalls nicht alle), diese Frage beantwortet der Finanzmarktkritiker Chris Skinner in seiner Keynote auf der NEXT Finance. SinnerSchrader veranstaltet die halbtägige Konferenz am 8. September 2011 erstmalig in Frankfurt/Main.
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Chris Skinner ist Chairman des Financial Services Club, den er 2004 gegründet hat, und bekannt für sein Blog The Finanser. Für die nächste Dekade sieht er eine radikale Veränderung der Rolle und Funktion des Bankings voraus. Dies hat seiner Ansicht nach mit dem Wertewandel in der Gesellschaft zu tun, der sich in Richtung virtuelles Geld, sozialer Technologie und Selbstverwaltung bewege.
Auf die Keynote folgt ein Vortrag von Pelle Braendgaard, dem Gründer von PicoMoney. Er wird sich mit der Bedeutung offener Standards befassen, die nach seiner Meinung der Finanzindustrie ebenso große Veränderungen bringen werden wie der Medien- und Telekommunikationsbranche in den letzten 15 Jahren. Der Versuch, alte Geschäftsmodelle mit rechtlichen oder gesetzlichen Mitteln zu schützen, sei zum Scheitern verurteilt.
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Weitere Sprecher der ersten NEXT Finance sind Salvatore Pennino (Google), Matthias Setzer (PayPal), Sebastian Herfurth (Friendsurance) und Marc Stilke (ImmobilienScout24). Fred Schuster (Deutsche Bank) wird über Design Thinking als Methodik sowie über Herausforderungen und Lösungsansätze eines gleichnamigen Projektes sprechen, das die größte deutsche Bank gemeinsam mit der Uni St. Gallen durchführt.
Das vorläufige Programm ist jetzt online.
Die NEXT Finance ist die kleine Schwester der NEXT Conference, die jedes Jahr im Mai mehr als 1.600 internationale Teilnehmer in Berlin versammelt. Sie setzt den Fokus ausschließlich auf die Bank- und Finanzbranche, die in Frankfurt/Main ihr deutsches Zentrum hat. Die Konferenz ist nur auf Einladung zugänglich und richtet sich an hochkarätige Entscheider aus der Branche.
Interessierte können sich noch für die Teilnahme bewerben.