Studie: Marketing für digitale Herausforderungen nicht gut aufgestellt

Nur eine Minderheit (23 %) der Marketingverantwortlichen in den Unternehmen glaubt, dass die Marketing-/Kommunikationsabteilung in ihrer jetzigen Form gut für die Zukunft aufgestellt sei. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Trendforscher von BathenJelden, die der Deutsche Marketing Verband herausgegeben hat. Ein niederschmetterndes Ergebnis? Immerhin knapp die Hälfte (48 %) ist der Ansicht, das kleinere Korrekturen schon viel bewirken könnten. Bei den ebenfalls befragten Agenturen und Externen zeigt sich ein anderes Bild. Hier meinen zwei Drittel, dass sich die Marketingabteilungen grundlegend neu aufstellen müssen.
Um welche Herausforderungen geht es? Hier nennen die insgesamt 810 Befragten (siehe Grafik) vorrangig Themen, die sich dem Megatrend Digitalisierung zuordnen lassen, wie die Explosion der Kommunikationskanäle, Big Data und die höhere Geschwindigkeit – die Stichworte lauten Echtzeit, kürze Produktlebenszyklen und schnell veraltendes Wissen. Aber auch die Einsicht, dass der digitale Konsument das Marketing revolutioniert, ist inzwischen bei den Marketingverantwortlichen angekommen: Die steigende Konsumentenmacht durch anspruchsvollere, vernetzte Bürger, der Vertrauensverlust gegenüber Unternehmen und Marken sowie größere Transparenz und damit überprüfbare Leistungsversprechen nennen 71 % als eine der größten Herausforderungen.
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Ein klarer Weg, wie das Marketing diesen Herausforderungen zu begegnen gedenkt, zeichnet sich indes noch nicht ab. Weshalb der Marketingverband betont, eher Denkanstöße als Patentrezepte liefern zu wollen. Erschreckend für altgediente Marketingkoryphäen ist nicht zuletzt eine ausgesprochen niedrige Zahl: Nur 14 % sind der Ansicht, dass der Chief Marketing Officer (CMO) oder die Marketingabteilung die nötige Neuausrichtung vorantreiben kann. Fast jeder Dritte erwartet, dass es bis 2020 einen Chief Digital Officer (CDO) geben wird. Interessant: Von den heutigen Marketingleitern erwarten dies nur 24 Prozent, während es in der Unternehmensführung immerhin 39 Prozent sind.

Bereits heute zeigt sich in einigen Unternehmen, dass Chief Digital Officer das Mandat der Unternehmensleitung haben, quer zu bisherigen Strukturen zu arbeiten, um schneller Innovationen voranzutreiben, Geschäftsmodelle zu entwickeln oder die eigenen Kunden anhand von Verhaltensdaten besser zu verstehen. Derzeit schaffen es viele Marketingorganisationen aber offensichtlich noch nicht gut genug, die Herausforderungen rund um das Thema Digitalisierung in entsprechende Kompetenzprofile umzusetzen, denn nur 23 % aller Befragten, die die offene Frage zu den Zukunftskompetenzen ausgefüllt haben, sind der Meinung, das Technologiekompetenz – also Technologieaffinität, Datenverständnis oder IT-Wissen – zukünftig eine wichtige Kompetenz für Marketingmitarbeiter darstellt.

Nachweisbarkeit, Effizienz und KPIs hingegen kommen in den Zukunftsszenarien prominent vor: So halten es 81 % der Unternehmensvertreter für (sehr) wahrscheinlich, dass Marketing und Vertrieb im Jahr 2020 näher aneinandergerückt sein werden. Und 60 % glauben, dass der Return-on-Marketing-Invest bis dahin ganzheitlich messbar sein wird.

Diese Marketingeinheiten werden sich stärker an messbarem Mikroverhalten von Kunden ausrichten und versuchen, die kleinen Stellschrauben zu identifizieren, die den Absatz erhöhen. Dafür entwickeln sie eine deutlich höhere Kompetenz in der Analyse von Kundendaten und dem schnellen Testen von Kommunikationsmaßnahmen. Das Thema Marke spielt in diesem Szenario eine untergeordnete Rolle. Strategische Fragestellungen sind keine Aufgabe der Marketingorganisation (mehr). Auffällig ist jedoch auch hier, dass eine solche Effizienzorientierung nur von wenigen als Zukunftskompetenz angesehen wird. Nur 11 % aller Befragten haben in der offenen Frage zu den Zukunftskompetenzen Aspekte der Effizienzorientierung genannt.

Die Studie Marketingorganisation der Zukunft ist komplett kostenlos im Netz erhältlich oder als Druckwerk für 40 EUR (netto) zu beziehen. Disclaimer: Wir haben in der Vergangenheit bereits mit Jörg Jelden zusammengearbeitet, allerdings nicht im Rahmen des vorliegenden Projekts.

Die zweite Ausgabe von Digitas Cache ist da

Alle Welt redet von der deutschen Wired. Doch um zu wissen, was Thomas Knüwer und seine Mannen in München da ausbrüten, werden wir uns wohl noch bis zum 9. September gedulden müssen.
Um die Wartezeit zu verkürzen, lohnt sich vielleicht ein Blick in die soeben erschienene zweite Ausgabe der digitalen Zeitschrift iPad-App von Digitas Cache. Der erste Eindruck zeigt eine solide, leicht verspielte, nett gestaltete Textsammlung von unterschiedlicher Qualität, wie das bei Magazinen häufig so ist und auch bei der germanischen Wired nicht anders sein dürfte.

Den Text über digitale Musik fand ich reichlich oberflächlich und wenig erhellend. Die hauseigene Studie über die wohlhabende Klasse in den USA schien mir da schon substanzieller, konnte mich aber auch nicht ans iPad fesseln. Und die Geschichte über die Unendlichkeit der Daten lag mir zwar inhaltlich näher, allerdings war ich wohl zu müde, um sie zu lesen.
Dass ich zum Umblättern vertikal wischen muss statt horizontal, wie es inzwischen gelernt und intuitiv wäre, muss ich wohl unter „leicht verspielt“ abbuchen. Form follows function? Schön wär’s.
Digitas Cache gibt es im App Store. Vor kurzem fand übrigens in New York die vierte NewFront statt, eine von Digitas veranstaltete Konferenz. Das Motto: Brands, Meet Content.

Omniture Summit 2011 – Der Konsument im Mittelpunkt

adobe_summit11.jpgMit der Übernahme von Omniture durch Adobe in 2009 stellten sich viele Branchenkenner, aber auch Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen die Frage, welches Ziel Adobe mit der Übernahme verfolgt. Antworten darauf gab der Omniture Summit EMEA 2011, der direkt im Anschluss an die NEXT11 stattfand. Adobe versammelte Kunden und Partner, um über die Entwicklung der Produktpalette im Bereich Webanalytics zu berichten. Vor allem aber auch, um Adobes Vision von der Zukunft des Marketings zu präsentieren.
Während der Konferenz wurden drei Schwerpunkte gesetzt:
_ Digital Experience Business
_ Marketing is the new finance
_ Social is Everything
Digital Experience Business // Integration von Webanalytics mit Adobe Produkten
Adobe positioniert sich als Digital Experience Business. Das Ziel ist, mit den Produkten optimale digitale Erlebnisse für Konsumenten kreieren zu können. In diesem Gestaltungsprozess ist Webanalytics zum wichtigsten Feedback- und Erkenntnisgeber geworden. Der Betrieb einer Website ohne Webanalytics ist heute nicht mehr vorstellbar. Die Nutzung und vor allem die Integration von Webanalytics ist allerdings weiterhin Spezialisten vorbehalten, die eng mit den Marketing-, Kreativ- und Technikteams zusammenarbeiten. Diese Anforderungen möchte Adobe mit der Integration der Webanalytics-Lösungen in die vorhandene Produktpalette vereinfachen. So wird der Einsatz von Webanalytics zum Standard und Konsumenten bekommen letztendlich bessere Websites, bessere digitale Erlebnisse. Bestes Beispiel ist das jüngst zugekaufte CMS Day (jetzt CQ5). Die integrierte Anbindung an SiteCatalyst soll es ermöglichen, ohne zusätzlichen Aufwand in der Technik, Konsumentenfeedback in Form von Webanalytics-Reports zu erhalten. Auf Basis dieser Reports kann das Konsumentenerlebnis weiter verbessert werden.
74% marketing budget in digital // Marketing is the new finance
Nach eigener Aussage investiert Adobe 74% des Marketing Budgets in digitale Medien. Sicherlich ein Benchmark für europäische Unternehmen. Damit einher geht die Erkenntnis, dass Marketing das neue Finance sei. Marketing kann heute – gefördert durch die neuen Möglichkeiten der Webanlytics-Auswertungen – seinen Erfolg selbst messen und bewerten. Eine komplette Erfolgskontrolle, bis hin zur Bewertung auf Basis des ROI (Return on Investment; Kapitalrendite) ist so möglich.
Darüber hinaus entwickelt sich ein neuer Ansatz zur Bestimmung der Budget-Allokation und des richtigen Mix: die Vorhersage auf Basis historischer Daten. Dazu werden Webanalytics-Daten vergangener Aktionen genutzt, um den richtigen Mix für zukünftige zu finden. So kann das verfügbare Budget optimal auf die genutzten Kanäle verteilt werden, so dass ein gesetztes Umsatzziel erreicht wird. Eine vielversprechende Technik, mit der nun auch Adobe experimentiert.
Social is Everything // Adobe Social Analytics
Adobes neu gewonnene Begeisterung für Social wurde während des Summits deutlich. Ann Lewnes (Senior VP Marketing) berichtete von der puren online Einführung der neuen Creative-Suite. An dem virtuellen Launchevent hätten 250.000 Konsumenten teilgenommen. Ein missverständlicher, negativer Artikel auf Mashable wäre von der Community durch entsprechende Kommentare ins Positive verwandelt worden. Und die Einführung eines „Ratings & Reviews“-Bereichs auf Facebook, innerhalb dessen sich die Konsumenten über die Produkte austauschen können, hätte die Verkäufe von Photoshop um 21% gesteigert, die von Photoshop Extended sogar um 54% (Ergebnisse eines A/B-Tests).
Vor diesem Hintergrund ist die Einführung des neuen Produkts Social Analytics konsequent. Ähnlich anderer Analysetools für Social erlaubt Social Analytics sozial Netzwerke nach Stichwörtern zu durchsuchen, um Trends zu erkennen. Interessante Neuerung ist die Möglichkeit, aus den Ergebnissen Segmente zu erstellen, die im Webanalytics und sogar auch im Targeting verwendet werden können.
Zusammengefasst wird erneut klar: der Konsument steht im Mittelpunkt jeden Handelns. An dieser einfachen Regel kommt heute niemand mehr vorbei. Und Adobe geht einen Schritt in die richtige Richtung. So werden nun auch alle Tools aufgerüstet, um das Feedback des Konsumenten messen und auswerten zu können. Und letztendlich, um Websites besser zu machen.

Datenschutz: Ilse Aigner und der digitale Radiergummi

Die Idee ist bestechend: Bilder im Internet sollen ein Verfallsdatum bekommen oder vom Nutzer nicht nur publiziert, sondern auch wieder gelöscht werden können. Doch ein tragfähiges Konzept, wie diese Idee in die Praxis umzusetzen wäre, hat bis jetzt noch niemand vorlegen können.
Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner hat sich diese Idee und ein ganz konkretes Konzept nebst fast fertiger Softwareimplementierung zu eigen gemacht. Die Software heißt X-Pire, entwickelt hat sie Informatikprofessor Michael Backes. Bei einer Ministeriumsveranstaltung durfte er heute seine Lösung präsentieren.
Das Echo ist eher verhalten. Bitte vergessen, lautet das Fazit von Jürgen Schmidt, Chefredakteur heise Security. Zum Vergessen, meint fast gleichlautend netzpolitik.org. Kristian Köhntopp lenkte schon vor einer Woche die Aufmerksamkeit auf die zentrale Schwäche des Konzepts:

Was ist X-Pire?
Ein Firefox-Plugin für ein proprietäres Bildformat, das kryptographisch signierte Bilder nach einem bestimmten Datum nicht mehr anzeigt. Was natürlich auch circa 3 Millionen Weisen leicht auszutricksen ist, und in keiner Weise einem Radiergummi entspricht.
Noch dazu ist X-Pire ein ausgezeichnetes Ausforschungsinstrument, das sich gegen die Privatsphäre derjenigen Benutzer richtet, die das Plugin tatsächlich installieren.
Durch das Runterladen des Schlüssels vom Keyserver bekommt der Betreiber des Keyservers ausgezeichnete Analytics-Daten darüber, welcher Benutzer wann welches Bild angesehen hat – wie können Sie eine solche Praxis gutheißen, Frau Aigner?

Beim Thema Datenschutz beschleicht mich häufig das Gefühl, eine Debatte zu erleben, die nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist. Ein Meilenstein war sicherlich das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983. Doch seitdem sind bald 30 Jahre vergangen.
Schon gut zehn Jahre nach dem wegweisenden Urteil erschien das Web auf der Bildfläche. Angesichts der damit verbundenen neuen Herausforderungen wurde das Thema Datenschutz bereits damals neu diskutiert, allerdings ohne wirkliche Lösung. Konzepte wie X-Pire sind keineswegs neu, konnten sich aber aus vielen guten Gründen nicht durchsetzen.
Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag die Aufgabe gegeben, das Bundesdatenschutzgesetz ans Internetzeitalter anzupassen. Dass hier dicke Bretter zu bohren sind, weiß auch Ilse Aigner.
Fragen an die Ministerin gibt es also genug. Warum nicht auf großer Bühne bei der NEXT11 mit ihr diskutieren? Hier der Vorschlag, bitte abstimmen!

Careless Computing? Richard Stallman und die Cloud

Die Wahrheit liegt in den Daten. Und wenn die Daten abheben und in die Wolken des Internets verschwinden, dann liegt die Wahrheit eben in den Wolken. Doch wer hat dann die Kontrolle?
Der säkulare Trend ist klar: weg vom lokalen Rechner, hin in die Datenzentren der großen Akteure wie Google und Amazon. Heißt das auch: weg aus der direkten Kontrolle des Nutzers, hin zur Kontrolle durch internationale Konzerne?

Richard Stallman. Photo by jeanbaptisteparis on Flickr. Some rights reserved
Richard Stallman ist ein Unikum. Bereits in den 80er Jahren gründete er die Free Software Foundation und setzt sich seitdem für freie Software ein, was nicht unbedingt auch kostenlose Software bedeutet. Das wohl bekannteste und bedeutendste Beispiel für freie Software ist Linux.
Auf Linux basiert das neue, von Google entwickelte Betriebssystem Chrome OS, das vor kurzem auf ersten Testrechnern ausgeliefert wurde. Es gibt auch eine freie Variante namens Chromium, doch mit freier Software hat das Unterfangen nicht viel zu tun.
Das meint jedenfalls Richard Stallman, der den polemischen Begriff Careless Computing ins Spiel gebracht hat. Für Stallman sieht Chrome OS wie ein Plan aus, der die Nutzer zu Careless Computing verführen soll, indem sie gezwungen werden, ihre Daten in der Cloud abzulegen statt auf den eigenen Rechnern. In den USA, so sein Argument, verlieren die Nutzer sogar die gesetzlichen Rechte an ihren eigenen Daten, wenn sie diese auf den Systemen von Unternehmen ablegen.
Sollten wir also unsere Daten der Cloud anvertrauen? Oder sollten vielleicht eher die Gesetze geändert werden, um sie der neuen Situation anzupassen?
Sie möchten Richard Stallman gerne auf der Bühne der NEXT Conference im Mai 2011 sehen? Der Call for Participation ist offen, Sie können hier abstimmen.