Doc Searls auf dem Radar

Was ist Web 2.0 (außer einem genialen, die Phantasie anregenden und den Hype anheizenden Buzzword)? Auf dem O’Reilly Radar erscheint Doc Searls, neben David Weinberger einer der Autoren des Cluetrain Manifesto, und gibt eine moralphilosophische Deutung des Phänomens. Er unterscheidet drei Moralsysteme:

  • Morality of self-interest. This gives us "owning", "domination", etc. The Old School. Industrial Age shit. Still prevails in many business plans that are just for killing other companies.
  • Morality of accounting. We balance everything. "Paying debts", "owing favors". This is our system of justice, by the way. It’s all about accounting. (Note the scales of justice symbol.)
  • Morality of generosity. We give. We are open. We love without expectation of reward, or even accounting. (In fact, when you bring in accounting, you compromise it.) Think about how we give to our spouses, our children, without strings. It pays off, too. But that’s fundamentally not what it’s about.

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Web 2.0 (und natürlich distanziert sich Doc Searls von diesem Begriff) fällt seiner Ansicht nach zum Teil in die dritte Kategorie. Sein Beispiel ist Flickr – eben kein Datensilo, sondern eine völlig offene Plattform:

Most of all, however, it is a "good citizen". It is generous where it counts. Nurturing. People love Flickr because Flickr loves people. The good guys finish first. In this case, anyway.

Jetzt aber wird es spannend. Denn Doc Searls bezieht die drei Typen von Moral auf ein Marktmodell, das aus drei Elementen besteht:

  • Relationship
  • Conversation
  • Transaction

Und der Rest ist so schön, dass ich ihn in voller Länge zitieren muss:

We need transaction, but can’t reduce everything to it. Although there are whole B schools that have been doing that for 100 years.

We need conversation as well. Which is why we wrote Cluetrain.

But relationship is what actually makes markets. I’m talking about real markets here: places where we do business and make culture. Relationship takes the passions we put into creating businesses and makes them work in the social context we call a market. (Did anybody ever go into business because they were looking for a way to please stockholders?)

You have to be generous in relationships.

Die Debatte bei O’Reilly Radar ist höchst interessant zu lesen.

Web 2.0 Awards

Mehr als 300 Web-2.0-Sites in 38 Kategorien, 21 Interviews mit den Gründern der Preisträger – die Web 2.0 Awards bieten eine Menge Futter für alle Web-2.0-Enthusiasten (und für Kritiker gleichermaßen, sofern sie wissen wollen, wovon sie reden).
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Irgendwie bezeichnend: In der Kategorie Marketing gibt es keine Preisträger, sondern nur lobende Erwähnungen für Opinity, Root und Your Elevator Pitch. Bei Retail gewann Etsy vor threadless und wists. Dazu ein Interview mit Robert Kalin von Etsy:

We want to create new ways to shop that are only possible using the Web as a medium. The industrial revolution and consolidation of corporations are making it hard for independent artisans to distribute their goods. We want to change this.

Der E-Commerce residiert in einer Sammelkategorie mit Business und Money (Gewinner: LinkedIn, Basecamp und Sidejobtrack). Lobend erwähnt wird hier Shopify, deren Blog ich auch den Hinweis auf die Awards verdanke.

Feeding the MySpace Beast

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Pete Cashmore wirft einen erfrischenden Blick auf MySpace (das, wie wir letzte Woche gelernt haben, mit gerade mal 150 Servern auskommt) als Web-2.0-Phänomen.

Despite being a centralized site, it’s showing many characteristics of the decentralized web.

MySpace, so seine These, war eine wesentliche Ursache für das exponentielle Wachstum von YouTube – obwohl MySpace seinen eigenen (weniger überzeugenden) Video-Service bietet und zeitweilig sogar YouTube blockiert hatte.

Diese Beobachtung führt in den Kommentaren zu einem interessanten Gedanken, ausgesprochen von Lawrence Coburn:

Given YouTube’s success in using the MySpace community for distribution, the question for every other social web entrepreneur should be: “How else can we feed the MySpace beast?”

Lawrence Coburn ist übrigens Head Geek von RateItAll, einer Meinungs- und Bewertungsplattform, die schon seit 1999 existiert (und wahrscheinlich deshalb auf den ersten Blick wie Web 1.0 aussieht).

Das Nächste ist das Vernetzteste und das Vielste

Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, daß große Unternehmen ihr Heil in noch mehr Größe sehen. Mir fehlt bei all den Visionen der Internetvisionäre das Wesentlich(st)e: Semantik oder auch: Relevanz.

Seit dem vergangenen Jahr ist der 62 Jahre alte Mathematiker Vinton Cerf als „Chief Internet Evangelist” bei der Suchmaschine Google für die Visionen zuständig. Seine Lieblingsvision ist die totale Vernetzung, die weit über Internetrechner hinausgeht. „Geräte aller Art werden künftig zusammenarbeiten. Ein Beispiel: Wenn ich in einem Auto sitze, kann die Antwort auf die Frage, wo die nächste Tankstelle ist, nur im Zusammenspiel vieler technischer Geräte erfolgen: Mein Handy verfügt über ein Spracherkennungssystem und ist mit dem Internet verbunden. Mein Auto ist mit einem Satellitennavigationssystem ausgestattet und besitzt eine Internetadresse, so daß mein Aufenthaltsort bestimmbar ist. Dieser Ort wird an einen Internetrechner übermittelt, der als Antwort eine Landkarte mit dem Weg zur nächsten Tankstelle zum Auto sendet”, beschreibt Cerf die Zukunft des Internet. Doch damit ist noch nicht Schluß. Auch Gegenstände aller Art, die mit Funketiketten (RFID) ausgestattet sind, können schon bald zum Internet gehören.

Quelle: FAZ