Was aus meinen Prognosen für 2010 wurde

Vor einem Jahr hatte ich eine Reihe mehr oder weniger gewagter Thesen für 2010 aufgestellt. Nun ist es höchste Zeit für einen Blick zurück. Was war die Prognose, was die Realität?

  1. Prognose: 2010 wird das Jahr der digitalen Revolution. Die Internet-Generation ist reif für den Wandel, wird zum Game Changer und schickt die Babyboomer auf ihr Altenteil. Realität: Die Revolution ist wieder einmal ausgeblieben. Oder doch nicht? Wir erleben eine Revolution, die in Form einer Evolution daherkommt. Wir neigen dazu, die kurzfristigen Auswirkungen von Innovation zu überschätzen, die langfristigen aber zu unterschätzen. Die Babyboomer haben 2010 zum letzten Gefecht gerüstet. Stuttgart 21, Gorleben, Sarrazin lauten die Stichworte. An diesen Kristallisationskernen hat sich ein letztes Mal die Generation Protest auf die Straße und in die Talkshows begeben, die nun am Ende ihres langen Marsch durch die Institutionen angekommen ist: in Rente und Pension. Weiterhin draußen vor der Tür bleibt die Generation Internet.
  2. Prognose: Die Babyboomer und andere Verlierer der Revolution werden sich heftig wehren und weiterhin versuchen, das Internet zurück in die Verpackung zu stopfen. Doch die Konterrevolution bleibt aus. Realität: Am stärksten haben sich die Verleger exponiert. Das von ihnen geforderte Leistungsschutzrecht für verlegerische Leistungen, bereits 2009 im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP verankert, war eines der großen Themen des vergangenen Jahres (und wird auch 2011 noch auf der Agenda stehen, Mario Sixtus zum Trotz).
  3. Prognose: Die Netzkritik wird hingegen eines der großen Themen des Jahres. Babyboomer Frank Schirrmacher war nur das Präludium. Inzwischen schicken sich bereits die Revolutionäre von gestern an, in den Chor der Kritiker einzustimmen. Realität: Die von Frank Schirrmacher angezettelte Debatte kam nicht wesentlich über das FAZ-Feuilleton hinaus und verebbte spätestens zur Jahresmitte.
  4. Prognose: Neben der Maschinenstürmerei 2.0 wird das Ende der Privatsphäre und die Neudefinition der Öffentlichkeit zum zweiten (und wichtigeren) großen Debattenthema. Realität: Diese Debatte bleibt wichtig, hat 2010 noch gar nicht richtig begonnen und dürfte durch das nächste Buch von Jeff Jarvis erst richtig an Schwung gewinnen. Es wird voraussichtlich in diesem Jahr erscheinen und Public Parts heißen, die deutsche Ausgabe soll unter dem Titel Das Deutsche Paradoxon publiziert werden.
  5. Prognose: Der Werbemarkt wird auch im Jahr 2010 stagnieren. Marken und Unternehmen verschieben ihre Budgets weiter in Richtung Internet. Nur ein Teil davon fließt in Onlinewerbung und bleibt so dem Werbemarkt erhalten. Ein immer größerer Anteil wird in Plattformen und Applikationen investiert. Realität: Der guten Konjunktur folgend hat sich der Werbemarkt im vergangenen Jahr besser als erwartet entwickelt. ZenithOptimedia erwartet für 2010 ein Wachstum von 2,9 Prozent und für die Folgejahre ähnliche Wachstumsraten. Neben dem Internet hat auch das TV die Krise nahezu ohne schwere Einbrüche überstanden. Beide werden in den nächsten Jahren nicht zuletzt wegen der zunehmenden Konvergenz ihrer Technologien auf Erfolgskurs bleiben, lautet die Prognose von ZenithOptimedia.
  6. Prognose: Mobile, ortsbezogene Dienste kommen ganz groß raus. Foursquare wird das neue Twitter (gut, eventuell auch Gowalla). Google wird die lokale, mobile Werbung revolutionieren. Realität: Mobile, ortsbezogene Dienste kamen groß raus, aber nicht ganz groß. Foursquare hat jede Menge Aufmerksamkeit bekommen, doch noch nicht den Durchbruch geschafft. Facebook droht mit Places den Foursquares und Gowallas das Wasser abzugraben.
  7. Prognose: 2010 wird das Jahr der erweiterten Realität. Wir werden eine Reihe spektakulärer Anwendungen auf mobilen Geräten sehen. Realität: Augmented Reality ist über den Spielzeugstatus noch nicht weit hinausgekommen. Ob das 2011 gelingen wird?

Und eine Bonus-Prognose: 2010 wird das Jahr, in dem Print digital wird. Kindle und Nook, iTablet oder iSlate (oder wie auch immer Apple das neue Spielzeug nennen wird) transformieren Nutzererlebnis und Geschäftsmodell des Gedruckten ins Digitale. Binnen fünf Jahren werden die Folgen ähnlich gravierend sein wie iPod und iTunes für die Musikindustrie waren. Behalten Sie auch innovative Formate wie das Miki im Auge. Realität: Das neue Spielzeug von Apple heißt iPad, und alle Verleger der Welt setzen sich einmal am Tag hin, um zu beten und Steve Jobs dafür zu danken, dass er die Verlagsbranche rettet. Doch nach dem Hype kam schnell die erste Ernüchterung: Die Verkaufszahlen der digitalen Printprodukte sinken rasant.

Julian Assange auf der NEXT11?

Vor ein paar Tagen ging auf vote.nextconf.eu der Vorschlag ein, Julian Assange als Sprecher auf die NEXT11 im Mai 2011 nach Berlin einzuladen. Immerhin 47 Stimmen sind bis dato bereits für diesen Vorschlag eingegangen.
Nach den heutigen Ereignissen könnte es jedoch sein, dass Julian Assange im kommenden Mai verhindert sein wird. Dennoch wäre es immerhin ein Zeichen, wenn die Zahl der Stimmen etwas größer wäre – im Moment liegt er nur auf Platz 6.
Hier abstimmen.

Die Zukunft des Buches ist digital

In den letzten Wochen habe ich, dem iPad sei Dank, erste Erfahrungen mit digitalen Büchern gesammelt. Und auch wenn die Buchbranche, ähnlich wie seinerzeit die Musikindustrie, das Thema überwiegend mit Angst betrachtet, so ist doch eines klar: Die Zukunft des Buches ist digital.
Es wird zwar keinen Stichtag geben, an dem die Druckmaschinen stillgelegt werden, sondern eher einen langen Prozess. An dessen Ende jedoch wird ein Großteil des heutigen Buchgeschäftes digital sein. Das digitale Buch wird wachsen, während das analoge Buch stagniert. Der Prozess wird gewisse Ähnlichkeiten zur Entwicklung der Musikindustrie nach Napster und seit dem iPod haben.
Welche Möglichkeiten sich dem Konsumenten heute schon eröffnen, plane ich in einer losen Artikelfolge hier auf dem Fischmarkt zu beschreiben. Zum Einstieg und zur Inspiration sei folgendes Video ans Herz gelegt, das von IDEO stammt und drei spannende Konzepte für die Zukunft des digitalen Buches vorstellt.

E-Commerce treibt die Fashion-Revolution

Der Distanzhandel mit Mode verändert sich durch das Netz radikal. Matthias Schrader benennt eine Reihe aktueller Trends.

  1. Mode im Netz boomt: Während der E-Commerce-Umsatz (nach Zahlen des bvh) im vergangenen Jahr um 10 Prozent wuchs, konnte das Segment Textil um 25 Prozent zulegen. Für 2010 prognostiziert der bvh mehr als 5 Mrd. Euro Umsatz mit Mode im Netz.
  2. Amazon überträgt die Kategorieführerschaft im Mediensegment schrittweise auf Hartwaren und Textil: Das Schuhsortiment ist heute schon größer als das von Zalando, OTTO oder mirapodo.
  3. Neue Konkurrenz: Vertikalisten (Esprit, H&M) sind im Markt erfolgreich. Marken steigen selbst in den E-Commerce ein, auch Luxusmarken entdecken das Netz. Und Shopping-Clubs sind relevante Akteure geworden.

Technischer Hinweis: Die in den folgenden Folien eingebauten Videos funktionieren anscheinend nicht mit Chrome, mit Safari aber sehr wohl.

Wer das Thema Fashion Commerce vertiefen möchte, dem sei das Fashion Commerce Forum am 21./22. September in Hamburg ans Herz gelegt. Mit dem Code fcf20 sparen Sie 20 Prozent sowohl auf die Konferenz- als auch die Seminarteilnahme. Bis 10. September gilt auch noch der 100 Euro günstigere Frühbucherpreis.

EPIC 2010

Wir schreiben das Jahr 2004. In Deutschland geht gerade die erste Interneteiszeit (2001 bis 2004) zuende. Robin Sloan und Matt Thompson veröffentlichen EPIC 2014, die leicht düstere Vision der Netz- und Medienwelt des Jahres 2014.
EPIC
Sechs Jahre später hat sich EPIC 2014 als erstaunlich prognosestark erwiesen. Manches von der damals beschriebenen Vision ist bereits eingetreten. Jetzt kündigt Google den Deutschland-Start von Google Street View an und gibt der tief im Sommerloch darbenden Medienszene ein heißes Thema. Der deutsche verpixelte Michel zieht alle Register der Aufregung.
Bis hin zur völligen Lächerlichkeit.[Trinkgeld für den Link zu EPIC 2014]