Eines ist klar: Der Launch von Google Plus ist gelungen. Es gibt jede Menge Buzz. Das noch unfertige Produkt erzeugt einen Sog. Die Nachfrage nach Einladungen ist mindestens zeitweilig höher als das Angebot.
Und es war eine kluge Entscheidung, den Apple-Pionier Andy Hertzfeld am Design zu beteiligen. So ist Google Plus für Google-Verhältnisse überaus gelungen gestaltet. Apropos Gestaltung – mit dem jüngsten Launch geht ein generelles Redesign von Google einher.
Was angesichts des ungeheuren Wildwuchses in der Markenarchitektur dringend erforderlich war und zugleich eine Herkulesaufgabe ist. Das neue Design soll in den kommenden Monaten schrittweise ausgerollt werden.
Charakteristisch für das neue Google ist die schwarze Kopfleiste, die dem Nutzer das Google-Universum erschließt (und die übrigens stark an Twitter erinnert). Google Plus bekommt hier nicht nur den prominentesten Platz ganz oben links. Auch oben rechts macht ein rotes Feld auf Neuigkeiten aus Google Plus aufmerksam.
Das zeigt die enorme Bedeutung, die das jüngste Kind für Google hat. Der frühere CEO und heutige Chairman Eric Schmidt hatte jüngst eingestanden, das Thema Social vermasselt zu haben. Frühere Anläufe wie Google Buzz oder Google Wave kamen nicht über das Experimentierstadium hinaus.
Auch beim heißen Thema Privatsphäre setzt Google Plus jetzt Maßstäbe. Mit den Circles öffnen sich verschiedene Sphären von Teilöffentlichkeit und Semiprivatheit – und damit neue Möglichkeiten der Kommunikation jenseits der klassischen Dichotomie von „öffentlich“ oder „privat“. Jedenfalls in der Theorie.
Zudem zeigt sich in Google Plus das Werk der Data Liberation Front. So nennt sich nicht ganz ironiefrei eine Gruppe von Google-Ingenieuren, die an der Befreiung der Daten aus den Silos des Konzerns arbeitet. Google Plus bietet die Möglichkeit, alle nutzereigenen Daten herunterzuladen. Die Frage ist dann nur noch, was damit anzufangen wäre.
Datenportabilität (oder auch die Tragbarkeit von Daten) ist bis dato alles andere als selbstverständlich. Konsumenten sehen den allergrößten Teil der Daten, die sie heute im Netz hinterlassen, niemals wieder. Auch wenn das in vielen Fällen überaus nützlich wäre.
Is Google Finally Getting Social? Wird Google endlich sozial? Versteht Google endlich das soziale Web? Ich bin nicht sicher. Google Plus sieht gut aus, bietet ein paar nette, neue Features und lässt das immerhin möglich erscheinen. Der Wettbewerb mit Facebook tritt damit in eine neue Phase.
Data Love
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Google Wallet: Handy auflegen und meine Coke gehört mir
Eine weitere, nette Spielerei für die Smartphone-Welt oder bald Bezahl-Alltag an den Kassen dieser Welt? Google hat sich mal wieder auf die Fahne geschrieben, unseren Alltag zu revolutionieren und wagt sich diesmal mit seinem Payment-Dienst Google Wallet direkt an unser Lebenselixier, nämlich unser Geld, heran.
EC-Karten – haben ausgedient; Kleingeld – schon fast steinzeitlich. Die Smartphones dieser Welt sollen’s richten. Naja, vorerst nur eines und zwar das Google Nexus S. Das kommt von Haus aus mit der Near Field Communication-Technologie, die für den mobilen Bezahldienst nötig ist. Darüber können drahtlos auf kurze Distanzen Daten ausgetauscht werden. Und so kann der geneigte US-Bürger schon jetzt in New York und San Francisco seine Kreditkartendaten an den Coke-Automaten auf dem Weg zur Arbeit übermitteln. Nach Kleingeld zu suchen wäre ja schließlich eine Belastung für Zeit und Nerven im trubeligen Alltag eines jeden New Yorkers.
Ab dem Spätsommer soll dann auch der Rest der USA nicht mehr lange nach Kleingeld oder Kreditkarte fischen müssen, sondern nur noch seine Wunderwaffe Handy zücken können. Google greift dabei auf die Infrastruktur seines Partners MasterCard zurück, der nach eigenen Angaben bereits gut 300.000 Händler mit seinem drahtlosen Bezahlsystem PayPass ausgestattet hat.
Doch den wirklichen Mehrwert des Bezahlens via Smartphone kreiert Google dadurch, dass auch verschiedene Bonussyteme integriert werden sollen. So entfällt das Suchen der passenden Treue- oder Geschenkkarte. Google Wallet will das Bezahlen, das Sammeln von Treuepunkten und das Einlösen von Gutscheinen vereinen und in einer 3-Sekunden-Handybewegung erledigen. Mit seinem gleichzeitig vorgestellten Dienst Google Offers soll der Nutzer außerdem noch à la Groupon tägliche Schnäppchen und Gutscheine direkt auf sein Smartphone bekommen. Und zwar natürlich vollkommen kostenlos.
Und was hat Google davon? Na klar: Daten, Daten und noch mal Daten, die sich in bares Geld verwandeln lassen. Von irgendetwas muss Google ja schließlich auch leben. Der Markt mit personalisierter Werbung boomt und die Datenschützer dieser Welt heben vermutlich schon mal vorsorglich ihre Schützengräben aus, um zumindest im Datenschutzland Deutschland zum Angriff auf Google Wallet zu blasen.
Aber was ist eigentlich dagegen einzuwenden, wenn die Werbung auf mich ganz persönlich zugeschnitten wird? Ich finde es eigentlich sehr angenehm, wenn ich nicht mehr mit Anzeigen für Treppenlifts oder Anti-Aging-Behandlungen überflutet werde, sondern die Werbeindustrie dank Google weiß, wofür mein Herz wirklich schlagen könnte. Und um meine Bankdaten muss ich mit Google Wallet auch nicht mehr Angst haben als mit jeder anderen Banking-App, die fröhlich auf mein Konto zugreift.
Also liebes, treues, altes Lederportemonnaie mit all den lustig bunten Plastikkarten und Scheinchen in dir drin, es war wirklich schön mit dir, aber bald bist du wahrscheinlich nur noch Nostalgie und mein Smartphone die Realität.
Tipp des Tages: Tim Ferriss und sein 4-Hour Body
Kinder, wie die Zeit vergeht. Die NEXT11 liegt schon wieder fast einen Monat zurück. Die Videos sind auch schon lange online, und zwar insgesamt 106 Stück. Zeit also für einen Blick ins Archiv.
Mein erster Tipp des Tages ist das bis jetzt mit Abstand am häufigsten abgerufene Video dieses Jahres: Tim Ferriss spricht über seinen 4-Hour Body – und das gleichnamige Buch, das in dieser Woche übrigens auch auf Deutsch erschienen ist.
Alle Videos aus sechs Jahren NEXT finden Sie auf video.nextconf.eu, übrigens auch als Audio!
Bitcoin, das gefährlichste Projekt aller Zeiten und die Angsthasen vom BVDW
Es sagt viel über den traurigen Geisteszustand in diesem, unserem Lande, wenn selbst der Bundesverband Digitale (!) Wirtschaft in Technophobie und Staatsgläubigkeit versinkt. So warnt der BVDW in einer Pressemitteilung vom 1. Juni doch allen Ernstes vor der virtuellen Währung Bitcoin. Dabei hebt die gerade erst ab.
Bitcoin ist ein spannendes Experiment, ob und wie eine vollkommen dezentrale, rein digitale Währung funktionieren kann, die gleichzeitig die Vorteile des Bargelds auf sich vereint. Der BVDW hängt sein Fähnlein voreilig nach dem Wind der Politik, die gerade erst auf das Phänomen aufmerksam geworden ist und nun um ihren Einfluss fürchtet.
Denn hinter Bitcoin steht weder die Zentralbank eines Staates noch ein privates Unternehmen, die sich politisch relativ leicht kontrollieren lassen. Doch mit den gleichen Totschlagargumenten, denen zu bedienen sich der BVDW nicht zu schade ist, ließe sich auch Bargeld verbieten, wie Linus Neumann in einer schönen Parodie auf das Verbandspamphlet gezeigt hat.
Virtuelle Währungen sind an sich kein besonders neues Thema. Die prominentesten Beispiele sind Spiele wie World of Warcraft oder Farmville, virtuelle Welten wie Second Life oder soziale Netzwerke wie Facebook oder weiland MySpace. Zur plötzlich aufkeimenden Angst vor Bitcoin hat sicher Jason Calacanis beigetragen, als er es das gefährlichste Projekt nannte, das er je gesehen hat. Seitdem hat Bitcoin breite Aufmerksamkeit gefunden.
Dem politischen Kampf gegen Bitcoin kommt der Drogenshop Silk Road gerade recht, der als Zahlungsmittel allein Bitcoins verwendet. Das entschuldigt allerdings nicht die tumbe Position des BVDW. Dessen vornehmste Aufgabe müsste es sein, der digitalen Innovation die Türen zu öffnen – und sie nicht gleich beim ersten leichten Gegenwind laut zuzuknallen.
Mein Leben laut Facebook und Intel
You are what you share. Dieser Satz von Brian Solis, ausgesprochen auf der NEXT09, kam mir heute wieder in den Sinn, als ich das Museum of Me von Intel besuchte. Das Ich-Museum nimmt mein Facebook-Profil als Rohmaterial für eine kleine Ausstellung über, ja, mich.
Das Ergebnis ist in meinem Fall wenig aufregend. Ich müsste wohl etwas mehr Aktivität auf Facebook zeigen, um daran etwas zu ändern. Doch diese Idee der Datenvisualisierung gefällt mir durchaus, auch wenn es nur eine Kampagne für einen Intel-Prozessor ist.
Gibt es im deutschen Sprachraum eigentlich schon eine aufgeregte Pseudodatenschutzdiskussion zu diesem Thema? Das Thema müsste doch noch vor der aktuellen Gesichtserkennungshysterie gelaufen sein.
Das angelsächsische Äquivalent zu den deutschen Fassadenverpixlern ist das schöne Wort creepy, was soviel heißt wie gruselig oder umheimlich. So kommt kaum ein Artikel über das Museumsprojekt ohne dieses Wort aus. Die meisten Rezensenten fügen der obligatorischen Kritik am Datenzugriff (mit dem die ganze Idee steht und fällt) auch die an der etwas seelenlosen, ja musealen Umsetzung hinzu.
Doch von diesen Nebenerscheinungen einmal abgesehen (Haters Gonna Hate) dürfte die Kampagne ein echter Erfolg für Intel werden. Darauf deuten jedenfalls die ersten Zahlen hin. [via]