Quelle migriert ins Web

Der interaktive Konsument hat entschieden – der Katalog ist tot, es lebe das Web. Quelle zieht daraus radikale Konsequenzen und ändert sein Geschäftsmodell: Der Katalog wird drastisch zurückgefahren, der Fokus liegt künftig beim E-Commerce. Quelle will zum größten Internetkaufhaus in Deutschland werden, bis zur Hälfte des Sortiments soll von externen Partnern kommen.
Mark Sommer, bisher Chef und künftig Aufsichtsratsvorsitzender von Quelle, kündigt im Interview mit den Nürnberger Nachrichten eine Revolution an:

Wir werden das Unternehmen von einem stationär- und Katalog-basierten Versandhaus zum größten Internetkaufhaus im Land umbauen, und zwar mit sehr hoher Geschwindigkeit. Der Anteil des Internetgeschäftes, der heute bei 40 Prozent liegt, wird in wenigen Jahren zwei Drittel erreichen und das Wachstum im Onlinehandel den Rückgang im Kataloggeschäft überkompensieren.

Der Strategiewechsel ist mutig, aber richtig und alternativlos. Denn der klassische Katalogversand verliert Jahr für Jahr Umsatz. Kataloge wird es zwar weiter geben, aber auch sie müssen sich rentieren, fordert Sommer.

Deutlich mehr als die Hälfte aller Quelle-Neukunden gewinnen wir bereits über das Internet, und nur jeder zweite davon ist an der gedruckten Warenpräsentation interessiert. Wir werden daher die Umfänge in dem Maß reduzieren, wie das Kataloggeschäft zurückgeht – das sind jährlich fünf bis zehn Prozent. Die beiden jährlichen Hauptkataloge, Monats- und Spezialkataloge werden bleiben, aber sie werden schlanker ausfallen, die Auflage wird sinken.

Quelle will sich von allen unrentablen Warengruppen trennen, sie aber von Partnern anbieten lassen. Das kann etwa ein Drittel des heutigen Sortiments betreffen.

In wenigen Jahren kann der Anteil der Quelle-fremden Sortimentsartikel bei etwa der Hälfte liegen. Da können auch ganz neue Sortimentsbereiche dazukommen, beispielsweise Arzneimittel. Es gibt praktisch keine quantitative Begrenzung.

Quelle braucht jetzt einen langen Atem für das neue Geschäftsmodell. Denn über Nacht wird sich kaum erreichen lassen, was Amazon und Ebay in zehn Jahren geschafft haben.

Long Tail und die Kosten für Preisänderungen

Der Begriff „Long Tail“ ist in aller Munde, und dennoch ist es schwierig, eine genaue Definition dieses Begriffes zu finden. Laut Wikipedia ist

Long Tail (englisch für „langer Schwanz“) eine Theorie, die der US-amerikanische Journalist und Chefredakteur des Wired Magazine Chris Anderson 2004 vorstellte, nach der ein Anbieter im Internet durch eine große Anzahl an Nischenprodukten Gewinn machen kann.

Allerdings wird der Begriff mittlerweile wesentlich breiter benutzt. Getrieben wird die Verlagerung hin zu Nischenprodukten jedenfalls im Wesentlichen von zwei technischen Entwicklungen: durch das Internet als Vertriebsweg und durch stark verbesserte Such- bzw. Empfehlungstechnologie.
Das Internet führt auf Seiten der Anbieter zu stark gesunkenen Grenzkosten: Zum einen existieren auch für sehr spezielle Produkte durch die hohe Reichweite des Internet einträgliche Absatzmärkte, so dass sich die Fixkosten auf mehr abgesetzte Produkte verteilen. Zum anderen sinken die Lager- und Präsentationskosten pro Produkt im Vergleich zum klassischen Einzelhandel deutlich, da keine teuren Ladengeschäfte in frequentierten Gegenden angemietet werden müssen. Zudem sinken die Produktionskosten; speziell für digitale Güter sind die Grenzkosten praktisch gleich Null.
Durch diese stark gesunkenen Grenzkosten ist es Intermediären wie Amazon, Spreadshirt oder Rhapsody möglich, ihr Sortiment erheblich zu erweitern und damit den Präferenzen der Konsumenten immer besser zu entsprechen. Wo früher noch das Sortiment auf wenige Produkte limitiert werden musste, da z.B. die Lager- und Präsentationkosten (beschränkter Regalplatz) für die Produkte mit wenig Absatz zu hoch waren, kann über das Internet ein schier endloses Sortiment vertrieben werden.
Das alles würde allerdings nichts nützen, wenn die Konsumenten die Nischenprodukte, die ihren Präferenzen entsprechen, nicht fänden. Durch Empfehlungsmechanismen wie „Andere Kunden, die sich dieses Produkt angeschaut haben, haben folgende Produkte gekauft:“ werden die Konsumenten in die Nischen geführt, die sie möglicherweise interessieren. Die Suchkosten für diese Produkte sind somit erheblich gesunken, da der Konsument nicht mehr so lange nach diesen Produkten suchen muss. Diese Entwicklung führt dazu, dass Produkte in den Nischen mehr und mehr konsumiert werden.
Falls der Markt gesättigt ist, führt das Sinken von Grenz- und Suchkosten im Wesentlichen allerdings nur dazu, dass Blockbuster durch Nischenprodukte substitutiert werden. Falls die Margen für die Nischenprodukte höher sind, kann das dennoch zu Gewinnsteigerungen für den Anbieter führen. In ungesättigten Märkten kann es allerdings auch zu realem Mehrabsatz führen. Das Long-Tail-Phänomen ist also für den Intermediär nicht unbedingt gewinnsteigernd.
Allerdings profitieren Konsumenten vom steigenden Sortiment in jedem Fall, da ihre Bedürfnisse besser befriedigt werden können. Intermediäre mit großem Angebot locken also mehr Konsumenten an. Es ist also damit zu rechnen, dass Intermediäre wie Amazon und Rhapsody ihr Sortiment immer weiter erweitern werden (solange sie keine Verluste mit dem zusätzlichen Produkt machen), selbst wenn die Erweiterung des Sortiments lediglich zur Substitution von Blockbustern führt.
Auf der International Conference on Information Systems (ICIS) in Montreal wurde jetzt aber zum ersten Mal durch aufwändige Analysemethoden gezeigt, dass Internet-Anbieter selbst für die Preisänderung für ein Produkt substantielle Kosten tragen müssen. Im Gegensatz zur weitläufigen Annahme, dass eine solche Preisänderung praktisch nichts kostet, konnte gezeigt werden, dass Amazon für die Preisänderung eines Produkts mit über 10 USD kalkulieren muss, obwohl diese Preisänderung im Wesentlichen vollautomatisch abläuft. Durch solche Kosten wird nicht nur die Länge des Long Tails erheblich beschränkt, sondern auch die Möglichkeit einer gezielten Preispolitik für Nischenprodukte wird eingeschränkt.
Die beiden Fotos geben einen Eindruck von Montreal im Dezember und der ICIS, die ich dank des Stipendiums der SinnerSchrader AG besuchen konnte:
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Nie wieder Versandkosten

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Wenn SinnerSchrader-Mitarbeiter „Prime“ hören, überlegen sie kurz, ob sie auch alle ihre Stunden brav eingetragen haben und befürchten schon Erinnerungsmails aus dem Controlling.
Auch Amazon hat jetzt Prime, aber nicht um Projektleistungen zu erfassen, sondern um Kunden rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft mit einer Versandkosten-Flatrate zu beglücken.
Auf den zweiten Blick gar kein schlechtes Angebot: ich zahle einmal 29 € und bekomme dafür ein Jahr lang alle Lieferungen kostenlos am nächsten Werktag (natürlich nur, wenn der Artikel verfügbar ist). Nennt sich „Premiumversand“ und kostet ohne Prime je Lieferung 6 €. Außerdem kann ich den sonst noch viel teureren „Overnight-Express“ für 5 € nutzen. Da bekomme ich bis mittags, was ich am Vorabend vor 19:30 bestelle. Sehr praktisch am 23. Dezember früh abends. 😉

Wunschzettel 2.0

Nico Lumma hat heute auf der Internet World (vermutlich, ich war nicht da) den Shoppero-Ableger Wishero vorgestellt, eine Art Widget-Generator für Wunschzettel.

Wishero durchsucht die Produktdatenbank von Amazon und generiert daraus Wunschzettel in verschiedenen Designs, von Kindergeburtstag bis Weihnachten. Die können anschließend per Mail an die üblichen Verdächtigen Adressbücher verschickt werden, haben eine dauerhafte Adresse (Permalink) auf wishero.de und lassen sich mit Hilfe von Clearspring als Widget überall im Web verteilen.

Wie es sich gehört, ist auch Wishero beta. Hier ist unser weihnachtlicher Wunschzettel, bis jetzt alpha.