Muss das digitale Buch erst noch erfunden werden?

Zum zweiten Mal in Folge feiert Amazon den Kindle als Bestseller im Weihnachtsgeschäft. War das elektronische Buchlesegerät im letzten Jahr noch das meistverschenkte Produkt bei Amazon, ist es inzwischen zum meistverkauften Produkt aller Zeiten avanciert.
Skeptiker werden auch die jüngsten Erfolgsmeldungen nicht davon abhalten, am Erfolg des digitalen Buches zu zweifeln oder gar zu meinen, es müsse erst noch erfunden werden. In der Zwischenzeit rollt Amazon mit seinem auf die wesentlichen Vorteile des digitalen Mediums reduzierten Ansatz den Markt auf. Der Start des deutschen Kindle-Stores wird für das neue Jahr erwartet.
Bis dahin hat in Deutschland noch Apple mit iBooks die Nase vorn. Doch als Hardwarehersteller verfolgt Apple einen anderen Ansatz als Amazon. So können die elektronischen Bücher von Apple nur auf iPad, iPhone und iPod touch gelesen werden, während die Kindle-Anwendung auf den meisten relevanten Plattformen verfügbar ist: PC, Mac, iPhone, iPad, Blackberry, Android und demnächst auch Windows Phone 7.
Diese Portabilität ist, verbunden mit einer wirklich ausgereifen Synchronisierungsfunktion, die wahre Killer-Anwendung des Kindle. Denn so trägt der Leser seine Bücher stets bei sich, inklusive Lesezeichen an der richtigen Stelle. Wo immer ein paar Minuten für die Lektüre zu erübrigen sind, lässt sich ohne Umschweife damit beginnen. Der Apple-Fanboy kann das zwar auch, bleibt aber an das Hardwareuniversum des Steve Jobs gebunden.
Beide Ansätze, Kindle wie iBooks, beschränken sich auf das Wesentliche. Denn was ist ein Buch anderes als ein linearer Text, gegliedert in Kapitel und Absätze? Die Datenmenge des puren, digital strukturierten Textes ist so gering, dass sich die Frage stellt, warum das Medium Buch nicht schon sehr viel früher digitalisiert wurde. Die Antwort ist einfach: Bis vor kurzem fehlten die geeigneten Lesegeräte.
Hier ist Amazon mit dem Kindle der klare Innovationsführer. Seit dem Erscheinen dieses Gerätes ist klar, was funktionierende Lesegeräte für digitale Bücher bieten müssen und wie der Distributionsmechanismus beschaffen sein muss, um erfolgreich digitale Bücher zu vertreiben: ein Onlineshop, der mit dem Endgerät verbunden ist und die Ware sofort ausliefert, ohne dass der Leser noch irgendetwas tun müsste. Konkurrierenden Hardwareherstellern ist dringend zu raten, ihre Geräte für die Kindle-App zu öffnen.
Amazon verfolgt mit dem Kindle eine seit Gillette erfolgreiche Strategie: Das einmalig zu kaufende Gerät ist preisgünstig, um den Absatz der häufig zu kaufenden, teils deutlich weniger preisgünstigen Bücher zu fördern. Mit 139 Dollar für den aktuellen Kindle ist bereits ein Preisniveau kurz vor dem Spontankauf erreicht. Schon 2011 könnte der Kindle für weniger als 100 Dollar zu haben sein.
Im Buchmarkt hilft diese Strategie, die mächtigen überkommenen Verlagsstrukturen zumindest für eine Übergangszeit zu erhalten. Amazon kann die Preise für digitale Bücher hochhalten und damit den bestehenden Buchproduktions- und -vermarktungsapparaten ein Auskommen sichern. Mittelfristig allerdings dürfte der Buchkonsument einen starken Druck auf die Preise ausüben und sich langfristig damit durchsetzen.
Bis dahin hält noch ein zweites Hindernis den schnellen Siegeszug des digitalen Buches auf: die Verfügbarkeit der gewünschten Buchtitel. Amazon hat den deutschen Markt noch gar nicht adressiert, und iBooks ist von einem vollständigen Sortiment bis jetzt meilenweit entfernt. So muss der Leser auf andere Digitalbuchläden ausweichen und dann selbst das Problem lösen, wie die Lektüre auf das Endgerät der Wahl gelangt.
Doch auch keiner der übrigen Anbieter kann mit einem echten Vollsortiment aufwarten. textunes und txtr haben immerhin eigene Apps, beam setzt stattdessen auf Standards wie Mobipocket, PDF und ePub. Für den hiesigen Konsumenten ist die Beschaffung digitaler Lektüre noch nicht so einfach.
Doch das sind Kinderkrankheiten, vergleichbar den Anlaufschwierigkeiten von iPod und iTunes vor fast zehn Jahren. Früher oder später werden die Sortimente vollständig und der digitale Buchkauf so einfach wie heute der Musikkauf bei iTunes sein. Es hat ja auch eine Weile gedauert, bis die Beatles bei iTunes erhältlich waren. Die Zukunft des Buches ist digital.

Careless Computing? Richard Stallman und die Cloud

Die Wahrheit liegt in den Daten. Und wenn die Daten abheben und in die Wolken des Internets verschwinden, dann liegt die Wahrheit eben in den Wolken. Doch wer hat dann die Kontrolle?
Der säkulare Trend ist klar: weg vom lokalen Rechner, hin in die Datenzentren der großen Akteure wie Google und Amazon. Heißt das auch: weg aus der direkten Kontrolle des Nutzers, hin zur Kontrolle durch internationale Konzerne?

Richard Stallman. Photo by jeanbaptisteparis on Flickr. Some rights reserved
Richard Stallman ist ein Unikum. Bereits in den 80er Jahren gründete er die Free Software Foundation und setzt sich seitdem für freie Software ein, was nicht unbedingt auch kostenlose Software bedeutet. Das wohl bekannteste und bedeutendste Beispiel für freie Software ist Linux.
Auf Linux basiert das neue, von Google entwickelte Betriebssystem Chrome OS, das vor kurzem auf ersten Testrechnern ausgeliefert wurde. Es gibt auch eine freie Variante namens Chromium, doch mit freier Software hat das Unterfangen nicht viel zu tun.
Das meint jedenfalls Richard Stallman, der den polemischen Begriff Careless Computing ins Spiel gebracht hat. Für Stallman sieht Chrome OS wie ein Plan aus, der die Nutzer zu Careless Computing verführen soll, indem sie gezwungen werden, ihre Daten in der Cloud abzulegen statt auf den eigenen Rechnern. In den USA, so sein Argument, verlieren die Nutzer sogar die gesetzlichen Rechte an ihren eigenen Daten, wenn sie diese auf den Systemen von Unternehmen ablegen.
Sollten wir also unsere Daten der Cloud anvertrauen? Oder sollten vielleicht eher die Gesetze geändert werden, um sie der neuen Situation anzupassen?
Sie möchten Richard Stallman gerne auf der Bühne der NEXT Conference im Mai 2011 sehen? Der Call for Participation ist offen, Sie können hier abstimmen.

Next Business Models in E-Commerce

Nach dem großen Erfolg im Spätsommer bringt Matthias Schrader jetzt die Fortsetzung auf den Markt: Er zeigt, wie, wo und welche neuen Geschäftsmodelle derzeit im E-Commerce entstehen.
Neben der schon im Sommer diskutierten Erfolgsformel von Amazon geht es diesmal um alice.com (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Blondinenwitz), das iPad-Magazin Flipboard und um shopkick, das den Besuch im physischen Laden belohnt. Allen Beispielen gemeinsam ist, dass unter der Haube die Daten der entscheidende Treiber sind, um für den Konsumenten relevante Produkte und Services zu entwickeln.
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Tesco testet Hybrid aus Web und Supermarkt

Die Zeit ist reif für den Wochenendeinkauf im Netz. Amazon liefert bereits seit Juli Lebensmittel, OTTO denkt laut darüber nach und sucht einen starken Partner. Die heißeste Variante jedoch scheint momentan ein Hybrid aus Web und Supermarkt zu sein.
Dabei bestellen die Konsumenten im Web, holen aber die Ware dann selbst im Laden ab. Drive-through heißt das bei McDonald’s seit Jahrzehnten bewährte Konzept. Chronodrive ist mit diesem Konzept bereits seit Jahren in Frankreich auf dem Markt, seit Ende August testet auch die britische Supermarktkette Tesco das Modell, zunächst in einem Supermarkt in Hertfordshire.
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Tesco sieht sich bereits als größten Web-Lebensmitteleinzelhändler in Europa. Kunden des neuen Drive-through-Service müssen ihr Auto bei der Abholung nicht verlassen. Vor allem vielbeschäftigte Eltern, die sich den Einkaufsstress mit kleinen Kindern in vollen Supermärkten ersparen wollen, hat Tesco als Zielgruppe im Auge, außerdem Berufseinsteiger, die nicht zwei Stunden zuhause auf eine Lieferung warten wollen. Sie können einfach nach Feierabend bei Tesco vorbeischauen und ihre Einkäufe abholen.
Die Bestellung funktioniert wie gewohnt über tesco.com. Mit der Option „Click and Collect“ buchen die Konsumenten ein zweistündiges Zeitfenster für die Abholung. Das Tesco-Personal kommt direkt zum Auto und lädt die bestellte Ware ein, der Kunde muss seinen Wagen nicht verlassen. Der Service kostet zwei britische Pfund (2,41 Euro) extra.
Für den Test hält Tesco die Ware in Lieferwagen bereit. Bei Erfolg soll das Modell auf weitere Läden ausgeweitet werden. Tesco denkt außerdem darüber nach, seine Supermärkte umzubauen, um den Abholservice dauerhaft anbieten zu können.
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