MySpace schlägt MSN Search

Sind Social Commerce, Me-Commerce oder Empfehlungsmarketing mehr als Schlagworte und schöne Ideen? Es gibt neue Indizien dafür: Zahlen der Marktforscher von Hitwise zeigen, dass Retail-Sites inzwischen mehr Traffic von MySpace bekommen als von MSN Search. MySpace liegt damit hinter Marktführer Google und Yahoo auf Platz 3. Techcrunch schreibt:

That’s big news, as it’s tangible evidence that youth oriented online social networking is a market driver of serious proportions.

Laut Hitwise kam in der 34. Kalenderwoche 4,69 Prozent des Traffics der Online-Retailer in den USA von Yahoo, 2,53 Prozent von MySpace und 2,33 Prozent von MSN Search. Google lag mit 14,93 Prozent vorn.
Diese Zahlen sind besonders interessant, weil Google vor wenigen Wochen einen 900-Millionen-Deal mit MySpace geschlossen hat. Die Google-Suche und -Werbung bei MySpace, bis jetzt noch nicht implementiert, werden das Bild wohl etwas verändern.
Die Zahlen belegen eindrucksvoll den Einfluss von Social Networks auf den E-Commerce. Noch einmal TechCrunch:

Perhaps more important to our readers, the numbers go some distance towards proving that young people using social networking sites are interested in shopping through links on those sites. In fact, they’re more of a force to reckon with than MSN searchers apparently. And social networking sites can profit from on site advertising just like search engines can. All those startup social networking sites hoping to monetize their traffic with AdSense? Maybe it’s more realistic than we thought.

Der falsche Mythos des Einfachen

Usability dreht sich seit Jahrmillionen um Fragen wie: was hilft, was verwirrt? Meistens einigt man sich projektintern auf „Viel hilft viel“. Was dann durch die Usability-Tests durchgeht, gilt. Empfindlichere Geister gucken jetzt angestrengt und fragen: Muß man jeden Hebel ziehen, nur weil man den Hebel ziehen kann?
An dieser Stelle spätestens taucht als Idealbild dann Apple im allgemeinen oder iTunes im speziellen auf. Und das Totschlag-Argument: „Konzentration auf das Wesentliche. Wer das nicht kann, weiß eigentlich nicht, was er will!“ Und flugs gerät jede Projektbesprechung zur Grundsatzfrage, ob man Apple-Jünger ist oder nicht.
Ich möchte an dieser Stelle mit dem Mythos aufräumen, Apples Wesen sei EINFACH. Auch wenn ich mich bis zum Eintritt ins Rentenalter desavouiere: Weder der iPod noch iTunes sind einfach zu bedienen. Ja, ich bekenne hiermit, daß ich bei „meinem ersten Mal iPod“ das Ding zwar zum Laufen gebracht habe. Aber wo geht er leiser, lauter oder aus? Wo ist der Regler, wo ein Knopf? Die Apple-Software mag schön, innovativ und konzentriert sein, alles. Aber sie ist nicht einfach. Einfach ist ein dahergelaufener Windows-Player: Installieren, auf Play drücken, fertig. Egal, wie viele Funktionen hinter der Button-Leiste lauern, das interessiert mich nicht. Ich sehe sie nicht, ich nutze sie nicht.
iTunes ist nicht einfach, sondern integrativ. iTunes führt den Hörer zu seiner Musik. Die Software macht beide zu Komplizen. Das ist Dialog, also ein hochkomplizierter Prozeß, der eben nicht mit einer simplen, sondern nur mit einer komplexen, sprich flexiblen Software zu bewältigen ist. Schon, wie vielfältig nur die Playlisten sortierbar sind – das ist doch nicht einfach! Aber es macht Spaß.
Zurück zum Thema. Wie einfach müssen denn nun dialogorientierte Interfaces sein? Ich behaupte: Gar nicht. Es gibt keine erfolgreiche „einfache“ Anwendung. Alles, was derzeit in Scharen Nutzer zieht, sieht aus wie von Bill Gates persönlich entworfen. Myspace ist ein Horror an Usability und die Klickzahlen nur dadurch zu erklären, daß die Wege auf Myspace viel länger als anderswo sind. Facebook, StudiVZ und wie auch immer sie heißen: Alle gehen unter in einer Fülle von Features. Interessiert das jemanden? Nein. Nicht, daß man sich nicht eine bessere Usability wünscht. Aber Usability ist einfach kein Erfolgsfaktor!
Was denn dann? Erfolgreiche Software vermittelt das Gefühl, daß dieses Stück Software für mich gemacht ist. Wer es schafft, die Sehnsüchte einer klar umrissenen Zielgruppe anzusprechen, ist dem Erfolg viel näher als mit einer guten Usability in einem unverbindlichen Umfeld.
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Auch das ist Myspace: Einstieg in die Foren
Myspace, Technorati, YouTube, Flickr leben davon, daß sie einen Sogeffekt erzeugen, der von einer klar umrissenen Zielgruppe ausgeht (Schüler, Studenten, Musker, Fotografen, Video-Fans, wer auch immer) und konzentrisch seine Kreise zieht.
Epilog:
Gerade darübergestolpert: Sevenload-Gründer Ibrahim Evsan stellt die Usability-Entwicklungsschritte seiner Site vor und benennt die Design- und Funktionsprioritäten:

• Ganzheitlichkeit (Video und Bild),
• Interaktionsmöglichkeiten (interne Nachrichten, Kommunikationsfunktionen, Bewertungen, Gästebucheinträge, Kommentare etc.),
• Kompatibilität (neueste Technik auf allen Browsern gleich -> wir arbeiten daran),
• Unterstützungsmöglichkeiten (technisch sowie inhaltliche Angebote),
• Flexibilität (offen für alle neuen Bereiche -> Podcast, Flash TV etc.),
• Individualisierung (Alben, Passwort geschützte Alben, Musikhinterlegte Diashows etc.)
• Partizipation (Mashup – also APIs, die eine Einbindung in Blogs und Homepages erlauben, etc.)
Irgendwie alles andere als einfach. Das hindert Sevenload aber nicht daran, zu den hochwertigsten Web-2.0-Anwendungen in Deutschland zu zählen und beachtliche Wachstumsraten vorzuweisen.

MySpace.com: deutsche Communities wachsen schneller

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Die Story ist bekannt. Murdoch, der bislang nie in Verdacht stand Web-bullish zu sein, kaufte vor wenigen Monaten die US-Teenie-Community MySpace.com für rund $580 Mio und wurde fortan von nicht Wenigen der Alterssenilität bezichtigt. Das dauerte bis ungefähr diesen Montag. Mit einem befristeten Werbedeal in Höhe von rund $900 Mio schaffte er es, durch Google sein Investment mit einem Schlag zu refinanzieren. Ein weiterer Beleg wie rasant sich zur Zeit das Advertising-Business ändert.
Interessanter als die Dollars finde ich allerdings den Blick auf die Clicks. Laut ComScore generierte MySpace.com in den Monaten April bis Juni diesen Jahres rund 30 Mrd PageViews, das y-t-y Wachstum betrug fast 400%. Also, was tut sich hierzulande? Werfen wir einen Blick auf die Alexa-Zahlen von einigen deutschen Web2.0-Communities: OpenBC, lokalisten.de und studiVZ. Das Wachstum von studiVZ ist atemberaubend und mit jeweils rund 5 Mrd. PageViews im Quartal besitzen studiVZ und die Lokalisten bereits ein nettes Polster für die Vermarktung. Hut ab!

Noch ein deutsches MySpace

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Seit Anfang April ist sevenload online (selbstverständlich beta). Dirk Olbertz macht sich Sorgen, wer wohl dahinter steckt:

Sollte es der Springer-Verlag sein, bin ich ganz schnell dabei, meine bisher dort eingestellten Photos rauszunehmen…

Mich erinnern Name und Design eher an ProSieben, vor allem deren Vermarktungstochter. Aber Spaß beiseite. Die Profile von Geschäftsführer Ibrahim Evsan und Chief Software Architect Thomas Bachem lassen keine Hinweise auf Medienkonzerne erkennen, einmal vom Standort Köln abgesehen…

Robert Basic hat natürlich sevenload längst getestet und für gut befunden. Und in den Kommentaren hat sich auch gleich Thomas Bachem zu Wort gemeldet:

Derzeit kommt jeden Tag ein neues Feature und eine neue Verbesserung hinzu, sodass sich sevenload auf einem sehr stabilen Weg hin zur offiziellen Veröffentlichung befindet. Wir rechnen hier mit 2-3 Wochen.

Inzwischen hat sevenload auch ein Blog. Mehr demnächst bei Robert Basic, der ein Interview mit dem Geschäftsführer angekündigt hat.