Marc Andreessen: Hört auf zu drucken!

Bei diesem Video – es zeigt Marc Andreessen im Interview mit Charlie Rose – müssten deutschen Verlegern sämtliche Alarmglocken schrill in den Ohren tönen. Denn Andreessens Rat ist schlicht:

Stop the presses tomorrow. I’ll tell you what. The stocks would go up. Look at what’s happened to the stocks. This investors are through this. The investors are through the transition. You talk to any smart investor who controls any amount of money, he will tell you that the game is up. Like it’s completely over. And so the investors have completely written off the print operations. There is no value in these stock prices attributable to print anymore at all. It’s gone.

Mehr dazu im Blog der next conference. [via, via]

Acht Prognosen für 2009

Das neue Jahr ist schon fast eine Woche alt und mein Weihnachtsurlaub zuende. Höchste Zeit für meine Prognosen für 2009, zumal eine davon sich bereits zu erfüllen beginnt.

  1. Eine Reihe von Marken und Markenartiklern, für die 2009 ein wirtschaftlich schwieriges Jahr wird, werden sich öffnen, den Konsumenten zuhören und mit ihnen reden. Und damit erste Erfolge feiern.
  2. Marken und große Unternehmen werden ihre Marketingbudgets weiterhin ins Internet verschieben, das inzwischen der bei weitem effizienteste Marketingkanal ist – und deshalb ein Gewinner der Rezession.
  3. 2009 wird mehr Onlinewerbeumsatz mit Performance Marketing (SEM/Affiliate) als mit klassischer Displaywerbung gemacht. Auch Displaywerbung wird immer mehr nach Performance-Modellen abgerechnet statt nach TKP.
  4. Im New Media Service Ranking werden die Top Ten kräftig umsortiert. Aber spannend wird erst das Ranking im Folgejahr (auf Basis der Umsätze von 2009).
  5. Der Druck auf die Printmedien wird stark steigen. In den USA werden die ersten großen Tageszeitungen ihre gedruckten Ausgaben reduzieren oder ganz aufgeben und ins Web migrieren. In Deutschland werden vor allem die Verlagsapparate Federn lassen müssen. Sie sind im Web nicht refinanzierbar.
  6. Alte Medien werden Blogs kaufen, sogar in Deutschland, um ihre Position im Web zu verbessern. Problem: Es gibt in Deutschland nur wenige professionell betriebene Blogs.
  7. Holtzbrinck wird sich nach Kräften bemühen, seine Investitionen in StudiVZ zurückzuverdienen. Da die GWP es nicht schafft, StudiVZ zu vermarkten, wird der Vermarkter gewechselt. Für einen Verkauf an Facebook ist es nun zu spät. Am Ende wird ein Notverkauf stehen.
  8. Cloud Computing wird abheben, sowohl als Buzzword als auch in der Nutzung. In der Rezession 2001/2002 konnte sich Open Source in Unternehmen durchsetzen, diesmal wird es Cloud Computing sein.

Was meinen Sie?

PS: Noch eine Bonus-Prognose – der Blog wird sich 2009 endgültig durchsetzen, auch als Bezeichnung für einen einzelnen Blogeintrag.

Frieren in der Leichenhalle

Es ist ein bestechendes Bild für den Zustand der europäischen Internetwirtschaft im Dezember 2008. Da treffen sich 1.766 Teilnehmer (brutto, abzgl. No-Shows) zur fünften Ausgabe der LeWeb in Paris, um in einer ehemaligen Leichenhalle bei gefühlt frostigen Temperaturen zu frieren. Kann man die Rezession, die aus der Finanzwirtschaft kam und nun die Internetbranche errreicht hat, treffender illustrieren?
Über das Jahr 2008, das nun endlich zuende geht, hat sich die Stimmung langsam, aber kontinuierlich abgekühlt. Der Börsencrash am Montag des DLD im Januar wurde noch kaum wahrgenommen. Und das, obwohl schon vor einem Jahr die Rezession abzusehen war.
Nach drei Krisenmonaten sind die Erwartungen nun auf ein neues Tief gesunken. Und trotzdem: „Viele der Unternehmen haben die Schwere der Krise noch nicht begriffen, vor allem in Europa“, meint Marc Samwer, European Founders Fund. Noch immer kürzen Start-ups ihre Kosten nicht stark genug, um ihr Überleben zu sichern.
So sind die Erwartungen für 2009 mehr als gedämpft. Lars Hinrichs wird im Januar seinen Chefposten bei Xing abgeben, plant eine größere Reise und erwartet den Tiefpunkt der aktuellen Krise für den Sommer. Dann will er wieder da sein und sein nächstes Unternehmen gründen.
Yossi Vardi at LeWeb'08
Yossi Vardi auf der LeWeb’08 (Foto: Chris Heuer)
Yossi Vardi scherzte auf der Bühne, passend zur Location, über einen Internetdienst für Tote (No churn! Lifetime subscriptions….) und ketzte dann fröhlich gegen das neue, alte Dogma der Monetarisierung:

The difference in the price of real estate in NYC and South-Dakota is the amount of traffic passing by. After you’ve grown an audience you can monetize it. You can’t monetize your service from day one.

Wie das funktioniert, zeigt Autor Paolo Coelho. Er hat den Verkauf der russischen Ausgabe von „Der Alchimist“ vervielfacht, indem er die digitale Version ins Netz gestellt hat.

You’ll have to share in order to get some revenue. At the end of the day, it doesn’t hurt your sales. People download the book but don’t read it They wait for the hard copy anyway. Don’t be fooled by the publishers who say that piracy costs authors money.

Wir nennen dieses Phänomen Share Economy. Lassen Sie uns darüber reden – auf der next conference 2009.
Update: Read more about Paolo Coelho and Share Economy on the next conference blog.

Qualitätsjournalismus im Netz

Twitter & Co. bringen nichts für Redaktionen? Klar, weil die wenigsten Journalisten twittern oder bloggen, ein Profil bei Xing, StudiVZ oder gar Facebook haben und E-Mail für das Maximum an digitaler Vernetzung halten. Selbst viele Kollegen, deren Themengebiet just das Internet ist, halten sich möglichst fern von sämtlichen Kommunikations- und Interaktionswerkzeugen, die nicht mindestens 30 Jahre alt sind wie die gute, alte E-Mail.
Thomas Knüwer ist eine der wenigen Ausnahmen, selbst Stefan Niggemeier twittert nicht. Netzökonom Holger Schmidt twittert zwar auch nicht, ist aber immerhin bei Xing und Facebook zu finden und schreibt ein kundiges Blog. Ansonsten weitgehend Fehlanzeige.
Twitter & Co. bringen nichts für Journalisten? Klar, so wie Telefon, Fax und E-Mail nichts gebracht haben außer immer mehr Arbeit. Und immer neue Möglichkeiten der Kommunikation und Interaktion. Wer sich dem verweigert, der bekommt zunehmend größere Schwierigkeiten, die neue Medien- und Kommunikationslandschaft zu verstehen. Als journalistisches Mittel bleibt dann der gute, alte Erfahrungsbericht nach dem Muster „Mein schönstes Ferienerlebnis“.
Es gibt kein Geschäftsmodell für Qualitätsjournalismus im Netz? Selbstverständlich gibt es eines. TechCrunch verdient schon lange Geld, die Huffington Post hat gerade 25 Millionen Dollar frisches Kapital erhalten und wird mit 100 Millionen Dollar bewertet. Die Gründe sind einfach:

There is an inevitable shift from offline to online with people increasingly getting their news media online, and this election proved how powerful the Huffington Post could be,“ said [venture capitalist Fred] Harman, in an interview with BoomTown. „And I think the post-election perception of the Huffington Post has changed in the eyes of advertisers to being a key mainstream news site.“

Insofern mutet die Debatte, die hierzulande geführt wird, in jeder Hinsicht gespenstisch an. Nichts gegen Robert Basic, Spreeblick und Bildblog, gegen Spiegel Online und Heise – aber da müsste doch mehr drin sein. Nicht quatschen, machen!

Lycos R.I.P.

Es ist schon bitter für eine Marke, wenn sie erst die Ankündigung ihres baldigen Endes braucht, um wieder einmal ins Gespräch zu kommen. Lycos hat das heute geschafft. Der einstige Internetgigant führte schon lange ein Schattendasein und war niemals nachhaltig profitabel. Nun wird das Unternehmen in seine Einzelteile zerlegt, die Aktionäre sollen 50 Millionen Euro bekommen.
Ich verbinde mit Lycos eigentlich nur Oliver Wagner. Die letzte Labrador Lounge liegt auch schon über ein Jahr zurück. Und wann ich zum letzten Mal (vor heute) auf lycos.de war, weiß ich auch nicht mehr. Es muss Jahre her sein.
Lycos Inc. ging schon vor vier Jahren an Daum und dümpelt seitdem vor sich hin. Lycos Europe hingegen war nicht einmal mehr als Ganzes zu verkaufen und wird deshalb nun abgewickelt.
Diese Konstruktion mit einer eigenständigen Europatochter hatte schon im Fall AOL Europe nicht so richtig funktioniert. Allerdings war es Bertelsmann im März 2000 gerade noch rechtzeitig gelungen, seine Anteile an AOL Inc. zu verkaufen, das damals mit der Übernahme von Time Warner beschäftigt war.
Im Falle von Lycos Europe war dieser Weg versperrt, weil dort mit Christoph Mohn der Sohn des Bertelsmann-Patriarchen Reinhard Mohn die Geschäfte führte. Doch irgendwann, das war immer klar, würde das Geld aus dem Börsengang aufgebraucht sein. Noch ist etwas Geld übrig, aber was fehlt, ist die Perspektive.
„Obwohl Lycos Europe – gemessen an der Reichweite – zwischenzeitlich größtes europäisches Internet-Portal war, ist es uns nicht gelungen, unsere Geschäftsmodelle in steigendem Maße zu monetarisieren“, stellt Christoph Mohn fest. Unsere Geschäftsmodelle zu monetarisieren? Was dieser Satz bedeutet, ist klar: Es gibt keine Idee, wie mit Lycos jemals Geld zu verdienen wäre.