Versuch und Irrtum mit der Bahn

Was ich mir vom Buchungssystem der Bahn wünsche: mehr Interaktivität! Im Unterschied zu neulich war das System am Freitag vor Pfingsten vollständig verfügbar. Ich konnte also meine Reise kurz vor Toresschluss buchen.

Doch wie erfahrene Bahnfahrer wissen, sind Züge aus Hamburg gen Süden am Freitag vor Pfingsten ziemlich ausgebucht. Leider erzählt mir das Buchungssystem davon erst etwas, wenn ich schon alle Daten eingegeben habe und nur noch den letzten Klick tun muss, um zu buchen.

Erst in diesem Moment kommt die Botschaft, dass meine Reservierung nicht möglich ist. Von da an setzt ein wildes Spiel mit Versuch und Irrtum ein. Ich bekomme genau eine Chance, meinen Reservierungswunsch zu ändern und zum Beispiel Raucher statt Nichtraucher zu wählen. (Warum eigentlich sind selbst in knallvollen Zügen die Raucherabteile immer halb leer?)

Das System gibt mir in diesem kritischen Moment keinerlei Hinweis, welche andere Option Erfolg versprechen würde. Und ich habe auch nur einen Versuch, danach kann ich entweder ohne Reservierung buchen oder gar nicht.

Was schließe ich daraus? Das Interesse der Bahn, mir eine Fahrkarte zu verkaufen, ist nach zwei Versuchen so gut wie erloschen. Ich kann noch nicht einmal zurückspringen und vielleicht einen anderen Zug probieren (wenn mir das System schon nicht einfach einen vorschlagen kann).

Nein, ich muss den ohnehin nicht gerade übersichtlichen Buchungsprozess ein weiteres Mal von Anfang an durchlaufen. Einmal? Mehrfach! Oder ich lasse es gleich ganz.

Warum kann bahn.de mir nicht einfach sagen: „Der Zug um 17.58 Uhr ist ausgebucht, aber um 18.05 Uhr fährt der nächste, und da gibt es noch reichlich Plätze. Wollen Sie den nehmen?“

Früher, als alles besser war(TM), am Schalter, da haben sie es so gemacht. Warum nicht heute?

Markenführung wird demokratischer

Die Markenführung wird demokratischer, deshalb gewinnt das Fernsehen an Bedeutung. Im Internet lehnt sich eine neue Generation von „68ern“ gegen die Autorität von Marken auf. Sie werden ein Stück weit zerfasert, teilweise auch verunglimpft. Nur wer seinen Marken über die klassischen Medien genügend Authentizität und Relevanz verleiht, wird im Web 2.0 nicht untergehen.

Peter Christmann, Vorstand Sales & Marketing bei ProSiebenSat.1 und Geschäftsführer von SevenOne Media, in der Horizont vom 24. Mai 2007

Panzer mit Markenlogo

Es war ungefähr Halbzeit beim Medienmittwoch gestern auf der Messe marketing services in Frankfurt, als Moderator Volker Schütz (Chefredakteur Horizont) das Bild vom Feldherrenhügel gebrauchte. Von diesem Hügel aus werden, so sein Bild, Marketingfeldzüge geplant und Kampagnen gelenkt. Nun kommt das Internet und demokratisiert plötzlich die Marken (siehe auch Brand Wikization) – kann das überhaupt funktionieren?

Nein, war sich die vierköpfige Diskussionsrunde rasch einig. Was nicht funktioniert, sind aber nicht etwa Brand Wikization oder demokratisierte Marken – sondern Marketingfeldzüge vom Feldherrenhügel aus. Die gehören der Vergangenheit an.

Laurent Burdin, Beratungsgeschäftsführer von SinnerSchrader, sieht das Thema aus Sicht seiner langjährigen Marketing-Erfahrung eher entspannt. Natürlich ist Markenführung eine Aufgabe des Marketings und wird es auch bleiben. Doch die Essenz von Marketing ist für ihn, auf den Konsumenten zu schauen, auf die Käuferseite des Marktes.

Die Konsumenten haben die Kontrolle schon übernommen – im Internet, speziell in Blogs, aber auch mit dem, was sie sich untereinander erzählen. Ein krasses Beispiel für Markendemokratisierung hatte Florian Ruckert, Marketingleiter des TV-Vermarkters IP Deutschland, zu bieten: Panzer im Irak, die mit den Logos großer Marken geschmückt werden.

Auch das sei prinzipiell nichts Neues, meint Ruckert. Konsumenten haben immer schon Marken interpretiert. Früher allerdings habe fast niemand die Markenlogos auf Panzern zu sehen bekommen. Heute sind diese Interpretationen über das Spielfeld Internet weltweit sichtbar und werden dann auch von den etablierten Medien aufgenommen.

Entspannt sieht Ruckert auch die immer unschärfere Trennlinie zwischen Fernsehen, was sein Kerngeschäft ist, und dem Internet. Man muss angesichts dessen zum Marketing zurückkehren, meint er. Wie wird der Kaufvorgang gestaltet, wie werden die Interaktionsprozesse ausgelöst – das sind wie stets die entscheidenden Fragen.

„Das Internet wird dabei eine deutlich größere Rolle spielen als es bislang der Fall ist“, erwartet der TV-Vermarkter Ruckert und erntet freudiges Staunen von Moderator Volker Schütz. Was sich aber schnell aufklären lässt, denn die IP Deutschland vermarktet selbstverständlich auch Onlinewerbeplätze.

„Wir müssen die Menschen irgendwie erreichen“, beschreibt Hansjörg Zimmermann die Aufgabe für Agenturen. Er selbst hatte seinerzeit die Argonauten gegründet und später Das Goldene Vlies gefunden, was ja eigentlich von den sagenhaften Argonauten geraubt worden war und insofern eine schöne Pointe ist.

Von der ich mich nur frage, wer sie eigentlich versteht. Ähnlich wie übrigens den wunderbaren Künstlernamen Judith Holofernes. Welcher Freund der Popkultur ist schon kunstgeschichtlich beschlagen oder bibelfest genug, um den zu dekodieren? (Näheres in Jdt 13 und in der Wikipedia.) Aber ich schweife ab.

Die kreativen Prozesse haben sich im Kern nicht verändert, meint Zimmermann. Sie sind nur viel komplexer geworden. Und wir haben noch gar nicht viel Erfahrung mit dem Internet. Um so interessanter auch für ihn zu beobachten, wie sich SinnerSchrader nach elf Jahren weiterentwickelt.

Auch hier treffen Welten aufeinander. Die Welt vieler Interactive-Agenturen war bisher sehr stark technisch orientiert, hat ihren eigenen Jargon gepflegt. Die Agenturen müssen nun aus ihrer Technikwelt raus in Richtung Marketingwelt, schreibt ihnen und uns Laurent Burdin ins Aufgabenheft:

Was macht der Konsument in den neuen Medien, was macht er im Fernsehen, was macht er mobil? Es wird höchste Zeit, dass die Marketingleiter von großen Unternehmen sich um das Thema Internet kümmern – und dass die Agenturen Marketinglösungen schaffen, statt technische Lösungen für Marketingaufgaben anzubieten.

Life[sic!]blogging vom Medienmittwoch gab es auch. Und ein MP3 zum Nachhören kommt vielleicht gibt es auch noch.

Qype mit neuem Gesicht

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Mit einer neuen Optik ist Qype soeben und damit früher als geplant live gegangen: Übersichtlicher, bunter, mit größeren Bildern und mit mehr Funktionen rund um den Mitgliederbereich. Noch leichter verständlich und benutzbarer soll die Plattform damit werden.
Vorab hat Qype den „Insider“-Test gemacht und sich bei seinen aktivsten Usern das Okay eingeholt – das „überwältigende Feedback“ steckte voller Lob für den Relaunch, so Stephan Uhrenbacher.
Übrigens hat Qype 14 Monate nach dem Start 50.000 Beiträge, 35.000 registrierte Mitglieder und 1 Mio. Visits im Monat.
Der Relaunch zeigt, wohin die Richtung geht: Die Menschen hinter den Beiträgen werden fast wichtiger als der Content selbst. Erst, wenn klar ist, wer schreibt, ist der Content glaubwürdig. Soweit Qypes Antwort auf die Qualitätsdiskussion bei den Mitmachmedien.

Kanal- und Konsumentenkompetenz

Stephan Randler von iBusiness hat neulich drei Fragen an Matthias Schrader gestellt. Hier sind die Antworten.

Wo liegen Ihrer Meinung nach die Kernkompetenzen einer klassischen Internetagentur heute?

Interactive-Agenturen besitzen zwei Kernkompetenzen: Erstens kennen Sie das Konsumentenverhalten in den interaktiven Kanälen. Die Konsumenten haben sich entschieden, Marken und Produkte zu einem signifikanten Anteil über das Internet zu erleben. Die digitalen Berühungspunkte zwischen Unternehmen und Konsumenten werden daher immer bedeutender und prägen die Marke in der Konsumentenwahrnehmung immer stärker. Marken brauchen deshalb Agenturpartner, die ein tiefes Verständnis für das heutige Konsumentenverhalten besitzen und die markenrelevanten Implikationen von Online-Aktivitäten sicher beurteilen können.

Die zweite wesentliche Kompetenz liegt in der Fähigkeit, komplexe Kommunikations-, Service- und Transaktionsplattformen für Unternehmen aufzubauen. Wir verwenden hierfür auch gerne das Bild, dass wir das Marketing-Betriebssystem unserer Kunden kreieren, auf dem von der Kampagnenkommunikation über die Interessentengewinnung und den Kaufabschluss bis hin zum Dialog und der Analyse sowie dem Controlling alle Marketingprozesse stattfinden können.

Welche Kompetenzen gewinnen an Bedeutung, welche verlieren an Bedeutung?

Das Thema Internet gewinnt aktuell bei Unternehmen wieder rasant an Relevanz. Für Interactive-Agenturen ist es deshalb wichtig, dieser wachsenden Bedeutung auf der Beratungsseite adäquat begegnen zu können.

Wie können Online-Agenturen sich gegenüber klassischen Agenturen positionieren?

Interactive-Agenturen sind per se gegenüber Klassikagenturen hinreichend kontraststark positioniert – aufgrund ihrer Kanal- und Konsumentenkompetenz. Wir müssen als Onliner allerdings lernen, wie wir zusammen mit unseren Agenturkollegen aus der Klassik kommunikative Brücken bauen, die heute noch oft erlebbare Brüche im kanalübergreifenden Kundenerlebnis schließen.